Verwüstung
Weiße, die einem gut aussehenden Schwachkopf mit aalglattem Mundwerk verfallen war. Tia kannte sich aus mit Frauen wie Crystal. Ach, Unsinn, sie war eine von ihnen gewesen. Sie kannte sich auch verdammt gut aus mit Männern wie Franklin, einem totalen Draufgänger, was letztlich auf einen gravierenden Mangel an Selbstbewusstsein zurückzuführen war. Schwachmaten wie er hatten normalerweise große Probleme in der Kindheit durchlebt, denen sie nie entwuchsen. Sie waren nicht reflektiv. Sie konnten nicht tief genug in sich selbst hineinschauen, um jene Fragen zu stellen, die sie befreien würden. Also wiederholten sie immer wieder dieselben dummen Muster, bis das Muster sie beschädigte oder das Leben kostete.
Ihr Mann war auch so ein Idiot gewesen. Und sein Muster war der Missbrauch – vor allem gegen sie gerichtet. Monatelang hatte sie es mitgemacht, toleriert, hatte damit gelebt, weil sie glaubte, dass sie daran schuld sei, dass sie etwas getan oder gesagt hätte, das ihn dazu brachte. Aber am Ende hatte sie ihr Muster durchbrochen, indem sie das Schwein von Mann erstickte, während er seinen Rausch ausschlief.
Franklins Muster, vermutete sie, war jedoch nicht Missbrauch. Es war Macht. Als sie gesehen hatte, wie der monströse Hummer mit der vollen Panzerung die Wand durchbrach, hatte sie gedacht, die Insel wäre von Terroristen oder dem U.S .-Militär überfallen worden. Welch eine Macht. Franklin war toxisch. Er war wie Sarin oder Anthrax, wollte verblüffen und herrschen.
Tia drückte sich mit den Handballen auf die Augen und versuchte einzuschlafen. Sie musste schlafen. Ihr Körper bettelte darum, ihr Hirn verlangte es. Aber erst musste sie sich überlegen, was morgen wäre, am Tag darauf oder am Tag danach, je nachdem, ob Danielle nun hierherkäme oder nicht. Wie sollte sie von der Insel runterkommen? Auf dem Festland hatte sie Geld, ihre Bücher, dort würden Leute ihr helfen. Auf dem Festland hatte sie sich darauf vorbereitet, nicht mehr länger Tia Lopez zu sein, sie konnte jemand anders werden.
Sie dachte darüber nach, worin diese Vorbereitungen bestanden, doch eine süße, verführerische Dunkelheit umfing sie – und nahm sie mit sich.
* * *
Das Klingen und Singen des Windspiels erfüllte die Luft mit einer berauschenden, fast ätherischen Musik, die, fand Mira, sich fast so anhörte wie eine spirituelle Aufführung eines Stücks von Chopin oder Mozart. Diesen herrlichen Klang begleitete das Rauschen des Windes durch die Zweige, das Rascheln der Blätter, ganz wie ein Orchester aus Oboen, kleinen Trommeln, Kastagnetten und Tamburinen.
Annie hörte es ebenfalls, und sie blieben beide auf dem Bürgersteig vor der Tür zum Buchladen stehen und lauschten. Selbst Ricki, die irgendeinem Duft am Boden gefolgt war, hielt inne, als verstünde sie, dass etwas ganz Außergewöhnliches hier draußen geschah. Die musikalischen Klänge waren geschichtet und komplex wie eine Sprache, jedoch zugleich von einer Einfachheit, die Mira erschreckte.
»Ich habe noch nie so ein Windspiel so gehört«, bemerkte sie.
»Ich auch nicht.« Annie nahm Miras Hand. »Kannst du den Buchladen lesen, Mom? Um rauszukriegen, wie er den Hurrikan übersteht, wenn wir bleiben müssen?«
Ja, sie könnte es versuchen, aber wenn sie sähe, wie der Buchladen in sich zusammenbrach oder überschwemmt wurde … tja, was könnte sie dann tun, um das zu verhindern? Der Shop hatte gute Fensterabdeckungen, befand sich aber im Hochwassergebiet. Betonbauten überstanden Hurrikans immer besser als Holzgebäude, aber was würde ihr der Beton helfen, wenn der Buchbestand durch das Wasser ruiniert würde? Der Laden befand sich mehrere Straßen vom Fähranleger in Tango entfernt am flachsten Teil der Insel, der ganz sicher überflutet würde, wenn Danielle hier entlangzog. Obwohl sie in ihrem tiefsten Inneren glauben wollte, dass ihre Welt Bestand hätte, selbst wenn der Hurrikan die Insel erreichte, warf ihre linke Hirnhälfte ihr zahllose unsägliche Möglichkeiten hin, die gnadenlos an ihr vorbeizogen, während sie die Tür aufschloss.
One World Books befand sich an einer Ecke drei Straßen nördlich des Fährhafens. Es war ein unscheinbarer Betonbau mit dekorativen blauen Holzläden an den Fenstern vorne, einer wundervollen Holzveranda, die sich an drei Seiten des Gebäudes schmiegte, und einem Vorgarten voll wunderbarer alter Bäume. Die Weißgummibäume hatten fünfzig oder mehr Jahre das Wetter hier ausgehalten, die Banyans waren mindestens
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