Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
Vom Netzwerk:
Zimmer betrat. Sie sah Harald ängstlich an. Dieser erschrak. Dünn war sie schon vorher gewesen, aber nun sah sie regelrecht abgemagert aus. Die Haare glanzlos und spröde, fast schon struppig, die Haut fahl und unrein, die Augen beherrschten das kleine Gesicht wie riesige schwarze Seen, es lag ein fiebriger Glanz in ihnen. Ehe er sich versah, lag sie in seinen Armen und weinte. Genau wie Clärchen, als er ihr gesagt hatte, dass er gehen müsse. Hilflos sah er nach Angelika, doch diese hatte den Raum verlassen.
    Lisa hatte sich inzwischen etwas beruhigt. Hoffnungsvoll blickte sie zu ihm hoch. „Bist du wieder mit Lydia zusammen?“
    Als er den Kopf schüttelte, begann sie wieder zu weinen. „Es tut mir so leid.“
    „Vergiss es!“
    Unglücklich sah sie ihn an. „Aber du liebst sie doch.“
    „Vergiss die Geschichte mit Lydia. Okay?“
    „Und du bist nicht mehr böse auf mich? Wirklich nicht?“ Sie sah ihn unsicher an.
    „Hör zu. Du hast andere Probleme, als dich um mich zu kümmern. Sprich endlich mit … mit Frau Dr. Dunkelmann. Sie wird dir helfen. Aber tu mir den Gefallen und halt mich raus aus deiner Geschichte. Es geht hier nur um dich und Lydia.“
    Lisa nickte und sah ihn bittend an. „Besuchst du mich wieder?“
    „Ich werde vielleicht eine Weile verreisen“, sagte er zögernd. Wieder sah er Clärchen vor sich. „Danach werde ich dich besuchen. Okay?“
    Sie nickte, doch liefen erneut Tränen an ihren Wangen herunter. „Ich fühle mich so allein!“
    „Besucht Lydia dich nicht?“
    „Nein. Frau Dr. Dunkelmann möchte das nicht.“
    Diese Augen, dieser hoffnungslose Blick! „Na ja, sie wird ihre Gründe haben. Sie...“
    Es klopfte und Angelika kam herein. Sie betrachtete sie beide und sagte: „Ich glaube, für heute ist es genug.“
    Lisa umarmte ihn kurz, sah noch einmal Angelika an und verließ mit hängenden Schultern den Raum, nicht ohne Harald noch einmal einen traurigen Blick zuzuwerfen.
    „Halt die Ohren steif, Kleine.“ Wenn sie wüsste, wie sehr ihre Verzweiflung seiner eigenen glich. Er wandte sich ab, um sein Gesicht vor Angelika zu verbergen. Seit er Lisa wieder gesehen hatte, verstand er sie. Sie war warm und herzlich, und wenn sie nur eine einigermaßen engagierte Ärztin war, musste ihr die Sache mit Lisa nahe gehen. Außerdem war ihre Tochter genauso alt wie Lisa. Merkwürdig. Dieses Mal sprengte Lisa seine Beziehung, die gerade erst so schön begonnen hatte, ohne es zu wollen. Sie war wirklich ein Unglücksrabe. „Ich muss zur Arbeit.“ Ohne Angelika noch einmal anzusehen, ging er.
    *
    „Es gibt ein Mädchen, ich kenne sie, sie war oft mit mir in einem Zimmer. Sie hat ein durchsichtiges Zelt um ihr Bett, sie sagen, es ist ein Sauerstoffzelt, ohne das das Mädchen nicht leben kann. Ich glaube, sie heißt Sonja. Sie ist jetzt tot. Und dann gibt es da ein Mädchen, das hat keine Arme. Die Hände sind direkt an ihren Schultern; sie ist schon etwas älter. Es sieht komisch aus, wie sie ihre Hände bewegt. Ich habe sie sehr gern, ich weiß nicht mehr, wie sie heißt. Aber Helmuts Namen kenne ich noch. Er sitzt in eine Art Liegerollstuhl; er hat keine Beine, und er hat Glasknochen. Seine Eltern wollten ihn nicht haben; er lebt in einem Heim, wenn er nicht im Krankenhaus ist. Er bekommt auch keinen Besuch. Kommt Harald mich heute besuchen?“ Hoffnungsvoll sah Lisa die Ärztin an.
    Diese schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, ob er heute kommt. Erzähl bitte weiter.“
    „Es gibt kleine Babies mit riesigen Köpfen; die Schwestern haben gesagt, dass sie Wasserköpfe haben. Ich stehe vor ihren Gitterbetten und starre sie an; sie merken es nicht. Ich stehe an einer Art Balkon, aber es gibt nur die Flügeltüren, die weit geöffnet sind, und vor ihnen ist das Gitter. Ich schaue nach unten. Es ist herrliches Wetter, und ich möchte so gerne nach draußen gehen. Ich beneide die Patienten, die im Erdgeschoss auf der Station liegen, die sich um den Innenhof herum befindet. Wenn es schön ist, werden sie mit ihren Betten nach draußen geschoben. Und ich habe Sehnsucht, ich will auch ans Licht. Die anderen Kinder bekommen immer so viel Besuch, nur ich nicht. Wissen Sie, wann Harald mich wieder besucht? Er kommt doch wieder, oder? Sagen sie ihm doch, er soll mich besuchen. Bitte!“
    Die Ärztin sah sie nachdenklich an. „Du sprachst gestern davon, ihn verraten zu haben.“
    Lisa presste die Lippen zusammen.
    „Woher kennt Ihr euch?“
    „Aus meiner Stammkneipe.“
    „Hat er

Weitere Kostenlose Bücher