verwundet (German Edition)
Karte sinken, als es an der Tür klopfte. „Herein.“
Lisa trat ein. Das Mädchen sah ihr schüchtern entgegen; der apathische Augenausdruck war verschwunden. „Guten Morgen Lisa. Ist es dir recht, wenn ich dich duze oder soll ich lieber sie sagen?“
„Nein, bitte nicht siezen.“
„Wie fühlst du dich heute?“
„Ganz gut, danke.“
„Würde es dir etwas ausmachen, dich auf die Liege zu legen?“ Frau Dr. Dunkelmann zeigte auf eine Liege mit hochgestelltem Kopfteil.
Mit aufgerissenen Augen starrte Lisa die Ärztin an.
„Es muss nicht sein Lisa, es war nur eine Frage.“ Sie wies auf die Sitzgruppe. „Setzen wir uns also hierher.“ Lisa nickte erleichtert.
„Lisa, möchtest du mir noch von deinen Träumen erzählen?“
Lisa schluckte, nickte aber. Vielleicht würden die Bilder aus ihr verschwinden, wenn sie sie erzählte. Sie mochte die Ärztin. Sie schlang die Arme um sich, zog den Kopf zwischen die Schultern und schloss die Augen. Es dauerte eine Weile, bevor sie sprach. Langsam, mit stockender Stimme, begann Lisa zu erzählen. „Ich fühle mich einsam, und ich habe Angst. Sie können alles mit mir machen, ich bin wehrlos, ich kann nichts tun, und meine Mama ist nicht da, sie ist nie da. Ich bin immer allein, und dann holen sie mich. Und ich bin ausgeliefert. Ich bin im Krankenhaus, ich bin klein, die Anderen sind so groß. Ich sehe manchmal nur Bilderfetzen, die scheinbar nicht zusammen gehören. Ich bin in einem Zimmer, aber ich sehe nur Fenster, keine Türen. Aber die Schwester kommt doch auch rein, ich sehe sie aber nicht eintreten, sie ist plötzlich da. Sie bringt mir Essen, und ich sitze am Tisch und spiele mit Bauklötzen. Sie passen gerade in meine Hand. Es ist ein Puzzle mit Märchenmotiven. Ich drehe sie um, und immer ergeben sie ein anderes Bild, so viele Seiten, wie die Würfel haben. Aber dann wird mir das langweilig. Draußen scheint die Sonne, sie scheint in das weiße Zimmer. Ich will raus, aber ich komme nicht raus, und ich sehne mich nach meiner Mami. Aber sie ist nicht da!“
Lisa stockte, fuhr dann fort: „ Ich liege in einem Gitterbett in einem großen Zimmer. Draußen ist es dunkel, ein kleines Licht brennt, ich spiele mit bunten Plastikschlüsseln. Es ist so still. Es sind noch viele andere Kinder da. Trotzdem bin ich einsam. Sie schlafen, und ich liege wach. Ich liege in einem Gitterbett, aber es ist ein anderes Zimmer. Es ist dunkel, der Mond scheint durchs Fenster. Es sind so viele Schatten an den Wänden, ich fürchte mich. Es stehen noch andere Gitterbetten da mit anderen Kindern, die schlafen. Ich habe Angst. Im Bett neben mir liegt ein Kopf, er sieht so komisch aus. Ich muss an Ungeheuer denken, die Schatten um mich wirken so bedrohlich, ich fürchte mich und zittere. Ich verstecke mich unter meiner Bettdecke, aber ich habe trotzdem Angst. “
Lisa schwieg eine Weile, die Ärztin rührte sich nicht. „ Da ist ein langer Flur. Ein Arzt steht am anderen Ende. Er hockt sich hin und macht die Arme auf. Ich laufe ihm entgegen, und er fängt mich auf. Er ist riesengroß. Das Bild wechselt, und ich liege mit einem Mädchen im Zimmer. Wir haben Angst. Draußen knallt es entsetzlich. Die Welt geht unter. Irgendwelche Riesen werden die Welt zerstören. Es klingt so, als ob sie die Welt in Stücke hauen.“ Schweigen.
„Sie stecken mir einen Schlauch in den Mund. Ich kriege kaum Luft. Sie halten mich fest und stecken den Schlauch immer tiefer. Ich würge entsetzlich, es ist so furchtbar. Sie haben kein Erbarmen. Ich habe das Gefühl, es geht eine Ewigkeit so weiter. Ein anderes Mal stecken sie mir einen Schlauch unten rein. Es tut weh, ich will mich wehren, aber sie halten meine Beine fest. Wieder ein anderes Mal kriege ich nichts zu essen, ich habe Hunger, ich darf nichts essen und nichts trinken. Am anderen Morgen holen sie mich. Ich kriege ein dünnes Hemd an, welches hinten offen ist. Mir ist kalt, und ich habe Angst. Mit meinem Bett werde ich durch lange, düstere Gänge gefahren. Es gibt Lichter an der Decke. Sie gleiten über mein Bett hinweg. Ich habe Angst! Da ist ein Glasfenster. Ich werde hindurch gehoben. Mir ist so kalt. Drüben greifen mich andere Hände. Sie haben Mützen auf dem Kopf und Masken vor dem Gesicht. Ich kann nur die Augen erkennen. Ich komme auf eine schmale Liege, werde ein kurzes Stück gefahren, und dann ist da dieser Saal. Er ist groß, es sind riesige runde Lampen da. Das Licht blendet mich, es ist so grell. Überall hängen so
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