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verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
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mehr als zwanzig Jahre nicht mehr gehört.“
    „Das ist eine lange Zeit.“
    „Ja. Eigentlich schade. Es ist eine so schöne Komposition. Der Hintergrund der Texte ist natürlich lustig. Mein Latein war nie besonders gut, ich mochte es nicht und war ziemlich faul. Das habe ich später öfter mal bereut. Aber in diesem Fall bin froh, dass ich den Text nicht verstehe.“ Er wollte die traurige Stimmung vertreiben, die ihn gepackt hatte. „Bei Opern geht mir das allerdings auch so. Diese schwülstigen Worte. Ich will lieber die reinen Töne genießen.“
    „Bisher dachte ich, dass du ein reiner Geistesmensch bist. Von deiner Liebe zur Musik hast du noch nie erzählt. Von wem hast du diese Empfänglichkeit?“
    „Muße man sie denn von jemandem haben?“
    „Im Allgemeinen werden solche Fähigkeiten erlernt, geweckt, abgeschaut. Ich vermute mal, dass einer deiner Elternteile oder sogar beide gelesen haben. Es ist recht häufig, dass dann auch die Kinder lesen. Es kann natürlich auch ein nahe stehender und geliebter Verwandter sein. Das gilt ebenso für die Musik.“
    „Ich kenne auch Menschen, deren Eltern zu Hause ganze Bibliotheken haben, und die dennoch nie ein Buch zur Hand nehmen.“
    „Ich sprach ja auch vom Lesen der Bücher, nicht vom Besitzen.“
    Sie waren da. Angelika stellte den Motor ab.
    In ihrer Wohnung zog sie die Vorhänge zu, knipste die kleinen Lampen an und fragte ihn, ob er etwas Wein trinken wolle. Als er dies bejahte, holte sie eine Flasche Weißwein, Gläser, einen Korkenzieher und stellte alles vor ihn hin. Dann ließ sie sich auf der Couch neben ihm nieder und wandte sich ihm zu. „Deine Erinnerungen müssen schlimm sein, wenn du immer noch darunter leidest?“
    Während er den Wein entkorkte, erzählte er: „Ich war mit meinen Eltern im Konzert. Mein Vater war ein großer Musikliebhaber.“ Er reichte ihr ein Glas.
    Sie trank, stellte das Glas ab und zog die Beine unter sich. „Du hast also die Empfindungsfähigkeit für Musik von ihm?“
    „Ja.“ Er merkte, dass seine Augen feucht waren, ungeduldig wischte er die Tränen weg. Er wich Angelikas Blick aus und wollte aufstehen. Doch das ließ sie nicht zu. Sie hielt ihn umfasst und liebkoste ihn. Mit der Zeit wurde er ruhiger. Er drückte sie fest an sich.
    „Es tut mir leid.“ Er war peinlich berührt, so etwas war ihm schon seit seiner Pubertät nicht mehr passiert.
    „Das macht nichts, es war trotzdem schön!“
    „Ich dachte...“
    Sie unterbrach ihn: „Du denkst zu viel!“
    „Ich habe eher das Gefühl, ich denke zu wenig.“
    „Deine Grübelfalten sprechen eine andere Sprache.“ Sie streichelte mit ihren Fingerspitzen über seine Stirn und zeichnete die Konturen seines Gesichtes nach. „Aus einem Gesicht kann man viel lesen.“
    „Ich frage mich, ob du deinen Analytikerverstand je abschalten kannst.“
    „Hast du davor Angst?“
    „Wie kommst du denn darauf?“
    Sie küsste ihn auf den Mund und sagte sanft. „Dreh dich um.“
    „Hm?“
    „Umdrehen!“
    Er drehte sich auf den Bauch und sie begann, ihn sanft zu massieren. Wieso stelle ich mich eigentlich so an, dachte er, sie ist noch dieselbe verführerische Frau. Er seufzte. „Lernt Ihr das auch in eurer Medizinerausbildung?“
    „Nein.“ Sie flüsterte ihm ins Ohr. „Du hast einen schönen Körper, da geht das wie von selbst.“
    Überrascht drehte er den Kopf. „Du bist wirklich einzigartig.“
    „Das will ich hoffen.“ Er hörte das Lächeln in ihrer Stimme.
    Als er am nächsten Morgen erwachte, war es schon hell. Seine Nacht war unruhig gewesen.
    „Schwere Gedanken so früh am Morgen?“
    Er hatte nicht mitbekommen, dass sie schon wach war. Der Blick ihrer hellen Augen machte ihn nervös. „Ach, mir ist nur eingefallen, dass ich noch etwas Dringendes zu erledigen habe. Ich werde wohl besser gleich gehen.“ Er sprang aus dem Bett und verschwand im Bad. Er hatte keine Ahnung, was er machen sollte, aber er wusste, dass er heute ihre Gegenwart nicht würde ertragen können. Als er aus dem Bad kam, roch es nach Kaffee. Angelika stand in der Küche und war dabei, Brot zu schneiden. „Für mich brauchst du kein Frühstück zu machen.“
    Sie drehte sich zu ihm um und musterte ihn nachdenklich. „Was kann heute am Sonntagmorgen so dringend sein, dass du mit leerem Magen aus dem Haus stürmen musst?“
    Sein Stimme klang unterschwellig aggressiv. „Etwas sehr Persönliches.“
    Sie wandte sich um und stellte ein Gedeck wieder in den Schrank.
    „Ich

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