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verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
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Kinder hatten viel Besuch. Tanten, Onkel, Omas, Opas, ältere Geschwister. Ganze Trauben von Menschen standen um die Betten der anderen Kinder. Nur bei mir war niemand. Ich habe mir gewünscht, dass die Besuchszeit endlich vorbei wäre, damit ich die Einsamkeit nicht mehr ertragen müsste, und ich mit den anderen Kindern wieder spielen könnte.“
    Nach einer Pause sagte sie: „Harald war schon seit Wochen nicht mehr hier. Warum besucht er mich nicht mehr?“
    „Vielleicht ist er verreist.“
    Lisa senkte den Kopf. Träne für Träne tropfte auf ihre Hände, die in ihrem Schoß lagen. „Mich lassen immer alle im Stich!“
    Harald stand vor der Tür der Psychiatrie und klingelte. Von Schwester Ines erfuhr er, dass Lisa noch in der Beschäftigungstherapie war, die aber in einer Viertelstunde vorbei sei. Ob er warten wolle? Er nickte und nahm im Wartebereich Platz. Die zwei Wochen, die hinter ihm lagen, waren schlecht gewesen. Er hatte weitere Absagen auf Blindbewerbungen im Naturschutz bekommen. Er sei der geeignete Mann und könne gerne ehrenamtlich tätig werden, eine Festanstellung käme jedoch aus finanziellen Gründen nicht in Frage. Dann ging ihm sein Versagen und seine Mitteilsamkeit bei Angelika nicht aus dem Kopf. Warum musste er ausgerechnet an eine Psychologin geraten? Er hatte sie wegen der erotischen Anziehungskraft angesprochen, und nun merkte er, dass er nur noch sie im Kopf hatte. Er beschloss, zu ihr zu gehen. Unschlüssig stand er für einen Moment vor ihrem Büro. Schließlich klopfte er und wurde hereingebeten. Sie stand über ihren Schreibtisch gebeugt und las etwas. „Einen kleinen Augenblick bitte“. Sie schrieb etwas auf und sah dann hoch. „Hallo Harald.“
    „Hallo.“ Er räusperte sich. „Wie geht es dir?“
    „Gut, danke, und dir?“
    Er ließ sich betont lässig auf einen Sessel fallen. „Drei Absagen in kurzer Zeit, das ist ziemlich niederschmetternd.“
    „Tut mir leid, das zu hören.“
    Auf die Liege zeigend, fragte er: „Liegen dort deine Patienten?“
    „Manche.“
    „Und du sitzt hinter ihnen?“ Er wies auf den Stuhl, der hinter der Liege stand.
    Ihr Blick war prüfend. „Du bist sicher nicht gekommen, um dich mit mir über meine Arbeit zu unterhalten.“
    Er überlegte einen Augenblick, bevor er fragte. „Gehst du mit mir essen?“
    „Ich habe keine Zeit.“
    „Morgen?“
    „Ich werde in den nächsten anderthalb Wochen keine Zeit haben.“
    „Fährst du weg?“
    „Nein.“
    Sie sah auf die Uhr und kam dann hinter ihrem Schreibtisch hervor. „Ich bitte dich ungern, zu gehen, aber ich habe gleich einen Patienten.“
    Enttäuscht erhob er sich. „Verstehe.“ Er trat auf sie zu und wollte sie küssen, doch sie wich ihm aus. Er erstarrte. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, klopfte es an der Tür.
    „Herein.“ Sie sah Harald an und sagte: „Wir sehen uns sicher noch.“
    Ein dicklicher Mann schob sich ins Zimmer. „Guten Tag, Frau Doktor.“
    Harald sah noch, wie der Patient Angelika anstierte, bevor er die Tür schloss.
    *
    Bei der nächsten Sitzung sah Frau Dr. Dunkelmann Lisa in ihrer gewohnten Ruhe an und fragte: „Warum hast du mich letztes Mal gefragt, warum ich dir immer gegenüber sitze?“
    Lisa zuckte zusammen. Konnte die Ärztin nie etwas vergessen? „Nur so, es fiel mir eben auf.“
    „Wohin soll ich mich also setzen?“
    „Na, zum Beispiel neben mich.“
    „Was würde das für dich ändern?“
    „Ich weiß nicht, Sie wären näher, nicht so weit weg.“
    „Du meinst körperlich näher?“
    „Ja, nein, ich meine, irgendwie näher halt, ich kann es nicht ausdrücken.“
    Frau Dr. Dunkelmann erhob sich von ihrem Platz und setzte sich neben Lisa. „Ist es besser so?“
    Lisa starrte die Ärztin an. Sie betrachtete ihr apartes Gesicht. Sie war offensichtlich beim Friseur gewesen. Die Ohren waren frei geschnitten und betonten die feinen Wangenlinien. Das Gesicht war völlig ungeschminkt, der Mund zartrosa, Lisa fragte sich plötzlich, wie sich dieser Mund anfühlte. Wie war sie wohl außerhalb der Klinik? War sie ein leidenschaftlicher Mensch, zärtlich? Ihre liebevolle Art hatte sich Lisa schon mitgeteilt. Sie sah ihr jetzt in die Augen. Die Ärztin blickte sie seelenruhig an. Lisa bekam Herzklopfen. Die leise Stimme ertönte: „Was ist jetzt anders, Lisa? Was hast du gedacht, als du mein Gesicht so prüfend angesehen hast?“
    Lisa stieg eine zarte Röte in die Wangen. Sie war sich nicht bewusst gewesen, dass sie Frau Dr. Dunkelmann

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