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verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
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an einen Tisch geschnallt wird? Natürlich hat sie angenommen, dass man sie umbringt. Es muss ganz furchtbar gewesen sein.“
    „Du leidest ziemlich mit.“
    „Natürlich tue ich das.“
    „Ich dachte immer, wenn man Psychiater ist, dann...“
    „Dann?“
    „Ach, ich weiß auch nicht. Lernt ihr nicht irgendwie, euch abzuschirmen?“
    „Ich bin ein Mensch, Harald. Ich kann meine Gefühle nicht wie auf Knopfdruck abstellen, und Lisa könnte immerhin meine Tochter sein. Außerdem liegen einem manche Patienten mehr am Herzen, andere weniger. Sympathie ist nicht ganz unerheblich für eine Therapie. Natürlich versuche ich, die Gefühle nicht mit nach Hause zu nehmen. Aber der Therapeut spiegelt die Gefühle des Patienten. Das ist seine Aufgabe. Mein damaliger Ausbilder pflegte immer zu sagen: Die Gefühle des Therapeuten sind die Probleme des Patienten.“
    Harald runzelte nachdenklich die Stirn. Der Kaffee kam. Angelika, die ihren Kaffee mit Milch trank, rührte mit dem Löffel gedankenverloren in der Tasse. „Als du mich gefragt hast, warum ich dir nicht gesagt habe, dass ich Psychiaterin bin, habe ich dir geantwortet, dass es viele Menschen hemmt, das zu wissen. Viele glauben, dass ich durch sie hindurch sehen könne wie durch Glas und haben Angst, ich könne sie in ihren vermeintlichen Schwächen durchschauen.“
    „Mir scheint, dein Beruf kann manchmal sehr hinderlich sein.“
    „Manchmal.“
    „Das beantwortet allerdings meine Frage, warum eine Frau wie du alleine lebt. Ich konnte mir das bisher nicht erklären.“
    Sie lächelte. „Eine Frau wie ich? Wenn du wüsstest, was ich für Macken habe.“
    „Du bist klug, schön und begehrenswert.“ Er hielt inne. Ihm war eine Idee gekommen. „Entschuldige mich bitte einen Augenblick.“ Er erhob sich und verließ den Raum. Beim Betreten des Lokals hatte er einen kleinen
    Laden mit Tierbüchern entdeckt. Er betrat ihn und stöberte eine Weile, bis er sich für einen kleinen Bildband über Wölfe entschied. Als er zurückkehrte, sah er Angelika gedankenverloren aus dem Fenster schauen. Er setzte sich und legte die Papiertüte vor sie auf den Tisch. „Ein kleines Geschenk für dich. Geschenkpapier hatten sie leider nicht.“
    Überrascht griff sie in die Tüte und holte den Band heraus. „Vielen Dank.“ Sie blätterte in dem Buch. „Hier steht, was du mir vorhin über sie erzählt hast, und außerdem auch etwas über Verhaltensforschung. Schon irgendwie bemerkenswert, dass du dich so für Tiere interessierst, ich mich hingegen für Menschen.“
    „Zugegebenermaßen fand ich meine Bücher immer interessanter als Menschen.“
    „Sie sind doch auch von Menschen geschrieben.“
    „Ja, aber von Menschen, die aus der breiten Masse herausragen, Menschen, die mehr durchschauen.“
    „Du hast meines Wissens auch noch kein Buch geschrieben, bist aber dennoch ein sehr interessanter Mensch.“
    „Ach ja, ich weiß. Der Naturbursche.“
    „Der Naturbursche, der auch noch in allen möglichen Bereichen sehr belesen ist, sich für Kunst interessiert, sehr unabhängig lebt und...“
    „Und immer gerade die Menschen verletzt, die er am meisten liebt.“ Das war ihm so herausgerutscht. Er wich ihrem Blick aus. Er zuckte zusammen, als er plötzlich eine Hand auf seinem Gesicht fühlte. Angelika streichelte über seine Stirn. „Du hast mich nicht nur verletzt, Harald. Es gab auch viel Schönes.“
    Er schob ihre Hand weg. „Lass bitte dieses Spiel.“
    „Spiel?“ Ungläubig sah sie ihn an. Dann lehnte sie sich zurück und verschränkte die Arme. „Wir sollten gehen.“
    „Ich habe es nicht so gemeint. Ich...“
    „Schon gut. Vielleicht hattest du vorhin recht, dass unsere Verabredung keine gute Idee war.“ Dann schob sie ihm das Buch zu und winkte der Kellnerin.
    „Wieso willst du es nicht?“
    Eindringlich sah sie ihn an. „Ich möchte nicht etwas geschenkt bekommen, um gleich darauf wieder eine von dir verpasst zu kriegen.“
    „Ich habe dich schon wieder verletzt. Ich sagte doch, ich hätte kein Talent für Gefühle.“
    „Mit dieser Einstellung machst du es dir sehr einfach.“ Ihre Stimme war kühl. Als die Serviererin die Rechnung brachte, zahlte sie für beide und erhob sich. Ehe er es richtig begriffen hatte, hatte sie ihren Mantel an und verließ das Restaurant.
    Er stürmte hinterher. „Es tut mir leid. Was soll ich denn noch sagen?“
    Sie drehte sich zu ihm um. „Bist du vielleicht einmal auf die Idee gekommen, dass auch andere Menschen Gefühle

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