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verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
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angestarrt hatte. Sie schlug die Hände vor ihr Gesicht. Meine Güte, fing wieder alles von vorne an? Genauso war es ihr mit Lydia gegangen, diese Nervosität, dieses angespannte Abtasten der Reaktionen, dieser Wunsch nach Nähe und Berührung. Das durfte nicht sein. Niemals wieder!
    „Was ist, Lisa? Ist dir nicht gut?“
    Lisa sprang wie gehetzt auf: „Es ist alles okay, ich, nein, ja, mir ist nicht gut, ich möchte auf mein Zimmer und mich hinlegen.“ Sie lief aus dem Raum, ohne sich noch einmal umzusehen.
    *
    Harald stand mit einem riesigen Blumenstrauß vor Angelikas Wohnung. Bange klingelte er, denn er hatte ihren Fiat nirgends entdecken können, und das Haus war dunkel bis auf die Außenleuchte. Wie erwartet, reagierte niemand. Er klemmte den Strauß an die Tür, kramte in seinen Taschen nach einem Stück Papier und holte auch einen Bleistiftstummel heraus. Er stellte sich unter die Lampe, die den Eingang schwach erleuchtete und schrieb: Liebe Angelika, leider warst du nicht da. Hätte dich gerne zum Essen eingeladen. Nach einem kurzen Zögern unterschrieb er mit Dein Wolf . Er steckte den Zettel zwischen Papier und Blumen. Als er ein paar Meter vom Haus entfernt war, bog ihr Fiat in die Straße. Er wollte schon winken, als er sah, dass ihrem Wagen ein Mercedes folgte. Er stellte sich in einen Hauseingang und sah zu seiner unangenehmen Überraschung, dass es Holger Rembrandt war, der hinter ihrem Fiat einparkte. Er beobachtete, wie die beiden aus ihren Autos stiegen und zu ihrer Haustür gingen. Angelika nahm den Blumenstrauß, schloss die Haustür auf und verschwand im Haus, Rembrandt folgte ihr. In Haralds Bauch war ein unangenehmer Druck entstanden. Fieberhaft überlegte er, ob er einfach hingehen und klingeln sollte, aber dann verwarf er diese Idee. Er ging auf die gegenüberliegende Straßenseite und konnte gerade noch sehen, wie Angelika die Vorhänge zuzog. Er blieb auf der Lauer, ob Rembrandt vielleicht nur kurz bliebe, doch nach anderthalb Stunden war er so durchgefroren, dass er unverrichteterdinge und verdrossen nach Hause ging. Was zum Teufel trieb Rembrandt so lange bei Angelika? Sobald er in seiner Wohnung angekommen war, rief er bei ihr an. Wenn sie zu Hause war, ging sie immer ans Telefon, weil es jederzeit die Klinik sein könnte. Es dauerte jedoch einige Zeit, bis sie sich meldete. „Dunkelmann.“
    „Harald hier.“
    „Hallo Harald. Vielen Dank für den schönen Strauß.“ Ihre Stimme klang sachlich. „Harald, ich habe Besuch. Können wir ein anderes Mal telefonieren?“
    „Vielleicht können wir uns am Wochenende sehen?“
    „Ich habe keine Zeit.“
    „Schon wieder nicht?“ entfuhr es ihm.
    „Ich habe Dienst. Wir können ja demnächst einmal telefonieren. Tschüss Harald.“
    Nach dem Anruf war er noch wütender. Warum hatte sie ihm nicht gesagt, dass Rembrandt bei ihr war? Und warum hatte es so lange gedauert, bis sie ans Telefon gegangen war? Und warum hatte sie auf einmal keine Zeit mehr? Er lief in der Wohnung auf und ab. Immer wieder fiel ihm sein Versagen ein und seine idiotische Beichte. Verdammt! Verdammt! Verdammt!
    *
    Lisa wälzte sich im Bett hin und her. Schließlich setzte sie sich auf. An Schlaf war nicht zu denken. Sie blickte aus dem Fenster und starrte in die Nacht. Der Mond stand groß und gelb am Himmel. Er erschien ihr riesig. Traurig betrachtete sie ihn. Wonach hatte sie nur solche Sehnsucht? Und warum war sie so allein? Waren alle Menschen so einsam? Zeigten sie es nur nicht? Wieder sah sie Frau Dr. Dunkelmanns Gesicht vor sich. War sie auch einsam? Nein, bestimmt nicht. Sie wirkte nicht so, sie war selbstsicher und strahlte Ruhe und Kraft aus. Wenn sie ihr doch etwas von ihrer Stärke abgeben könnte. Sie dachte an die morgige Sitzung. Frau Dr. Dunkelmann vergaß niemals etwas. Sie fragte immer nach, bohrte tiefer. Oft war es eine Erleichterung, dann nach anfänglichem Widerstand doch zu sprechen und festzustellen, dass dieses Aussprechen gar nicht so schlimm gewesen war. Aber wie konnte Lisa ihr erklären, dass sie ihre Nähe wollte? Am besten würde sie versuchen, das Thema abzubiegen. Sie seufzte bei dem Gedanken. Die Ärztin blieb immer am Ball.
    Am nächsten Tag in der Sitzung bat Frau Dr. Dunkelmann sie, Platz zu nehmen, und setzte sich dann neben sie. Lisa hatte das Gefühl, dass ein kleines Vögelchen in ihrer Brust saß und mit den Flügeln schlug.
    „Geht es dir heute besser?“
    „Ja, danke.“
    Lisa verschränkte die Arme vor der Brust, sie

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