Verwunschen
spät. Nicht dass ihr vermisst werdet. Ich hoffe, wir bekommen keinen Ärger«, fügte sie so leise hinzu, dass Mona es kaum verstand, und sie fragte sich, an wen Kylah dachte. An die Menschen, die auf die Kinder warteten, oder an die Unterirdischen, in deren Reich sie ungefragt eingedrungen waren. Auf jeden Fall war es gut, dass sie sich nun auf den Rückweg machten – sofern sie ihn fanden. Aber schließlich hatte Patrick an jeder Abzweigung einen Kreidepfeil hinterlassen. Sie konnten sich also gar nicht verlaufen!
Die drei kamen schneller voran, als sie gedacht hatten. Was in absoluter Finsternis wie eine Ewigkeit erschienen war, waren nun kaum ein paar Dutzend Meter. Mona sah sich aufmerksam um, ob sie bereits irgendeinen Felsvorsprung oder einen Durchgang wiedererkennen konnte.
Patrick drückte ihren Arm. »Mach nicht so ein besorgtes Gesicht, Schwesterchen. Dazu besteht kein Grund!«
Mona straffte sich. »Alles bestens!«, behauptete sie. »Dort vorne ist schon die Stelle, an der uns die Taschenlampe ausgegangen ist. Da müsste auch dein letzter Pfeil sein.«
Sie wandte sich mit einem etwas gezwungenen Lächeln zu Kylah um, doch zu ihrer Überraschung sah diese nun deutlich angespannt aus.
»Was ist los? Du fürchtest doch nicht etwa, dass wir den Rückweg nicht finden? Das musst du nicht. Patrick hat alle wichtigen Abzweigungen markiert.«
Kylah verzog das Gesicht. »Fragt sich nur, wo diese Kreidepfeile geblieben sind. Ich seh jedenfalls keine.«
Mona ging zielstrebig auf den Vorsprung zu, dessen Kante sie an die Schnauze eines Hundes erinnerte. Sie war felsenfest davon überzeugt, dass Patrick genau hier im schwindenden Licht der verbliebenen Taschenlampe einen Pfeil aufgemalt hatte. Sie stutzte und blieb stehen. Da war nichts. Nicht die kleinste Spur von Kreide. Konnte sie sich so irren? Sie drehte sich langsam im Kreis. Nein, sie hätte schwören mögen, dass es dieser Felsblock gewesen war.
»Es muss ein Stück weiter vorne einen ganz ähnlichen geben«, sagte sie und versuchte die schon wieder in ihr aufsteigende Unsicherheit zu unterdrücken. »Wir müssen hier im Dunkeln vorbeigekommen sein.«
Doch auch Patrick blieb kopfschüttelnd vor dem Felsen stehen. »Ich hätte jetzt auch geschworen, dass es dieser Block war und wir dort aus der linken Abzweigung kamen.«
»Sind wir auch«, bestätigte Kylah, deren Stimme seltsam rau klang.
»Und warum ist dann an dieser Stelle kein Pfeil?«, widersprach Patrick.
»Das ist die entscheidende Frage«, meinte Kylah und strich mit dem Finger über den glatten Stein. »Er war hier, daran besteht kein Zweifel.«
»Dann müssen wir nach links«, folgerte Patrick und lief los. Die beiden Mädchen folgten ihm. Sie erreichten die Platte neben dem Abgrund, in den Patricks Lampe gestürzt war. Auch hier hatte er einen Kreidepfeil hinterlassen, von dem nichts mehr zu sehen war. Kylah stöhnte leise.
Mona beugte sich über die Stelle. »Wie kann so etwas sein?«, fragte sie ratlos. Patrick zuckte nur mit den Schultern. »Von alleine kann ein Kreidestrich nicht in so kurzer Zeit verschwinden«, rätselte Mona weiter. »Da müsste sich schon jemand richtig Mühe gegeben haben, jede Spur von ihm zu entfernen.« Ihre Augen weiteten sich und sie sog scharf die Luft ein. »Meinst du, das waren die Magischen?«
Kylah nickte ernst. »Ich glaube schon.«
»Aber warum?«, flüsterte Mona und wandte sich ihrem Bruder zu, doch Patrick ging einfach weiter auf die schmale Platte zu, um sie zu überqueren.
»Aus dem gleichen Grund, warum sie euch vorhin gestoßen haben«, sagte Kylah und schrie dann auf: »Pass auf, Patrick, komm zurück!«
Kylah griff nach Monas Ärmel, sodass sie ihrem Bruder nicht folgen konnte. Der hatte die Mitte des schmalen Felsbandes schon fast erreicht, blieb nun aber stehen und wandte sich zu den Mädchen um.
»Was ist? Los, rüber und weiter! Sonst kommen wir heute nicht mehr aus diesem Höhlenlabyrinth raus.«
Kylah deutete nur stumm nach vorn. Mona stieß einen Schrei aus, als sie erkannte, worauf sie zeigte.
»Patrick, komm her!«, rief sie nun ihrerseits, und zu ihrer Erleichterung sah sie, dass ihr Bruder die Gefahr ebenfalls erkannt hatte und nun Schritt um Schritt zurückwich. Als er sicher den Abgrund hinter sich gelassen hatte, seufzte Mona auf. Sie griff nach seinem Arm und klammerte sich daran fest. Patrick vergaß ganz, sich loszumachen, obwohl er so etwas gar nicht mochte. Stattdessen wandte er sich mit sorgenvoller Miene an
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