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Verzaubert

Verzaubert

Titel: Verzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Resnick
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werden?«
    Ich wirbelte herum und stürmte in Richtung Toilette. Als ich dort ankam, keuchte ich wie eine Langstreckenläuferin. Matilda war mir dicht auf den Fersen. Ich versuchte ihr die Tür vor der Nase zuzuschlagen, aber die dürre kleine Hexe war schneller, als sie aussah.
    Mir wurde speiübel und ich ließ die Tür los, um rechtzeitig die Kloschüssel zu erreichen. Matilda war hartnäckig, sie ließ mich selbst dann nicht in Ruhe, als ich mich hinkniete und würgte.
    »Solltest du noch einmal eine solche Szene veranstalten, kannst du deine Rolle in der Show vergessen – und wahrscheinlich sämtliche anderen Rollen in dieser Stadt! Habe ich mich klar ausgedrückt? Denk ja nicht, dass es zu spät wäre, noch jemand anderen für die Rolle zu finden!«
    »Es
ist
zu spät«, murmelte ich und hörte, wie meine Stimme in der Kloschüssel widerhallte. »Wenn ihr heute Abend wieder eröffnen wollt, ist es zu spät.«
    »Und noch etwas!«, fauchte sie.
    Ich zuckte zusammen. Das waren die Lieblingsworte meiner Mutter.
    »Wenn du Joe noch einmal so aufregst –«
    »Ich?«, platzte es aus mir heraus. »
Er
war derjenige, der –«
    »Er hat ein sensibles, künstlerisches Gemüt, und diese Golly hat mit ihrem extravaganten Abgang seine Nerven ruiniert. Er hat alles für diese Show gegeben.«
    Ich betätigte die Toilettenspülung und rappelte mich hoch.
    »Er hat seine Karrieremöglichkeiten als Solokünstler zum Wohle der Show geopfert.«
    »Ach, ich bitte dich.« Ich warf Matilda einen unverhohlen skeptischen Blick zu, bevor ich mich zum Waschbecken schleppte.
    »Er hat sich eine neue Ausrüstung zugelegt, neue Techniken einstudiert, mit einem Coach gearbeitet, Tag und Nacht geübt. Und als Gegenleistung ruinierst du die Generalprobe und bekommst beim Höhepunkt des Stücks einen hysterischen Anfall!«
    »Er war derjenige, der nicht mehr auftreten wollte,« begann ich von neuem. »Nach Gollys Verschwinden kam er ja nicht einmal proben …«
    »Untersteh dich, diesen Namen auszusprechen!«, kreischte Matilda. »Ich will ihn nie wieder hören!«
    Ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht und spülte meinen Mund aus. Da ich mich langsam wieder besser fühlte, sagte ich: »Tut mir leid, was heute passiert ist. Wenn ich dir verrate, weshalb ich solche Angst bekommen habe … Aber das würde alles nur noch schlimmer machen, insbesondere für Joe.«
    Sie starrte mich an. »Ich muss wissen, was du heute Abend zu tun gedenkst.«
    »Ich werde auftreten!«, erklärte ich entschlossen.
    »Na bestens. Können wir die letzte Szene dann noch mal proben?«
    »Nein.«
    »Wieso zum Teufel nicht?«
    »Weil es etwas gibt, das ich vor der Show erledigen muss.«
    »Was? In Gottes Namen,
was?
«
    Ich betrachtete mein tropfnasses Konterfei im Spiegel. »Ich muss mit dem Großen Hidalgo sprechen.«
     
    Es dauerte den ganzen Nachmittag, ihn mit Hilfe verschiedener Agenturen ausfindig zu machen (die alle erstaunt waren, dass sich noch jemand für den Großen Hidalgo interessierte). Endlich hatte ich ihn selbst am Telefon, und er war einverstanden, sich mit mir in Fraunces Tavern zu treffen, einem Restaurant im Financial District. Der Laden war eine nostalgische Erinnerung daran, wie New York vor mehr als zweihundert Jahren und mit zig Millionen Menschen weniger ausgesehen hatte. Die Lage (und die Preise) des Lokals garantierten eigentlich, dass man hier nicht auf Hunger leidende Schausteller traf. Doch wie sich herausstellte, war der Große Hidalgo nur ein Teilzeit-Magier. Sein richtiger Name lautete Barclay Preston-Cole  III ., und er arbeitete im Finanzunternehmen seines Vaters.
    »Miss Diamond?« Ein junger Mann in mausgrauem Anzug näherte sich meinem Tisch in der Ecke.
    »Barclay?« Ich zog nicht einmal in Erwägung, ihn Mr. Preston-Cole zu nennen. Trotz des Zwölfhundert-Dollar-Jacketts und der Rolex sah er nicht älter aus als sechzehn. Er war recht klein, hatte gewelltes, braunes Haar, helle Haut, rosafarbene Lippen und große braune Kuhaugen. Sehr sensibel, aber auch irgendwie süß. »Setzen Sie sich«, sagte ich. Ich winkte dem Kellner und fragte Barclay: »Sind Sie alt genug für einen Drink?«
    Er wurde rot. »Ich bin zweiundzwanzig.«
    Anschließend bestellte er eine Weißweinschorle und bestand darauf, auch meine Rechnung zu übernehmen. Ich ließ ihn. Mom hatte mir beigebracht, nicht abzulehnen, wenn der Mann bezahlen wollte – und mein gesunder Menschenverstand sagte mir, dass man dies bei einem Wallstreet Banker auch

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