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Verzaubert

Verzaubert

Titel: Verzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Resnick
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sie bereits draußen vor dem Eingang zu erwarten, aber ich bin heute schrecklich spät dran.« Seine Stimme war sanft und er drückte sich sehr gewählt aus. Außerdem sprach er mit leichtem Akzent.
    »Auf mich warten? Weshalb wollten Sie …« Ich brach ab und starrte ihn an. Er sah irgendwie putzig aus. Ein kleiner, etwas pummeliger Mann, mindestens siebzig Jahre alt, mit zerzaustem weißem Haar und einem Bart. Er trug einen runden Filzhut und einen Staubmantel. »
Sie
sind das!«, kreischte ich.
    »Wir müssen reden. Sie können nicht –«
    »Sie!«, schrie ich noch einmal, völlig außer mir. Endlich hatte ich jemanden vor mir, den ich für meinen ganzen Ärger verantwortlich machen konnte. Ganz sicher war alles
seine
Schuld. »Wer sind Sie? Wieso verfolgen Sie mich?«
    Er runzelte die Stirn, wobei sich seine buschigen weißen Augenbrauen zusammenzogen. »Ich versichere Ihnen –«
    »Geheimnisvolle Botschaften zu schreiben! Mir Zeitungsausschnitte zu schicken! Im Theater herumzuschleichen!«
    »Herumzuschleichen? Ich bin nie –«
    »Ich lasse Sie einsperren, Sie Perversling!«
    Er riss die Augen auf. Sie waren himmelblau, so klar und rund wie die eines Kindes. »Perversling? Ich glaube, Sie missverstehen –«
    »Wie sind Sie hier hereingekommen?« Drohend richtete ich den Föhn auf ihn.
    »Jetzt lassen Sie uns Ruhe bewahren«, flehte er und wich zurück.
    »Keine Bewegung!« Ich umklammerte fest den Griff des Föhns. Ich musste an den Schalter gekommen sein, denn plötzlich begann das Gerät zu summen und bombardierte den Fremden mit heißer Luft.
    »Hilfe!« Er fiel auf den Hosenboden.
    Ich kreischte erschrocken, riss die Arme nach unten und traf ihn mit dem Föhn am Kopf. Sein Filzhut flog weg, und der Mann fasste sich an die Stirn, während das lange weiße Haar wild flatterte.
    »Warten Sie!«, rief er. »Ich versuche Ihnen zu helfen!«
    »Indem Sie mich in ein Nervenbündel verwandeln? Wenn ich diese Art Hilfe will, brauche ich nur meine Mutter anzurufen!«
    Er schaute hoch und blinzelte in den Strom heißer Luft. »Könnten Sie bitte dieses Ding abstellen?«
    »Hä? Ach so. Na gut«, sagte ich. »Aber nur ein falscher Schritt und Sie sind tot, Kumpel. Ich muss Sie darüber in Kenntnis setzen, dass ich den schwarzen Gürtel in Kung-Fu habe.« Ich schaltete den Föhn ab.
    »Ich auch«, sagte er geistesabwesend und rappelte sich hoch.
    »Oh.« Das beunruhigte mich, da ich gelogen hatte.
    »Können wir jetzt bitte reden? Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.«
    »Wie sind Sie an dem Pförtner am Bühneneingang vorbeigekommen?«
    »Ich habe mich dematerialisiert und bin durch die Wand geschlüpft. Sie müssen mir jetzt zuhören –«
    »Diese Wand?« Ich zeigte auf die dreißig Zentimeter dicke Mauer.
    »Ja. Ich bin hier, um Ihnen zu sagen, dass Sie nicht bei diesem Trick –«
    »Verdammt, jetzt warten Sie mal eine Minute. Sie wollen mir erzählen, dass Sie einfach so durch
diese
Wand spaziert sind?« Ich schlug mit der Faust gegen den harten Beton.
    »›Spazieren‹ ist dabei sicherlich der falsche Ausdruck.«
    »Oh, bitte entschuldigen Sie vielmals meine falsche Wortwahl. Was würden
Sie
denn dazu sagen?«
    Er strich sich über den Bart. »Nun, für gewöhnlich wird es als Übertragung bezeichnet, obwohl die moderne Psychologie diesen Begriff leichtfertig benutzt …«
    »Okay, Kumpel, das reicht. Ich rufe Lopez an.«
    »Lopez?«
    »Den Beamten, der in diesem Fall ermittelt – besser gesagt ermitteln sollte.«
    »Nein! Tun Sie das nicht!«
    »Rühren Sie mich nicht an.«
    »Keine Polizei!«, rief er und machte einen Schritt auf mich zu.
    Ich schrie und prügelte mit dem Föhn auf ihn ein.
    »Au! Sapperlot, das tut weh!«
    »Sapperlot?«, stieß ich aus. »Seit den Dichtern des neunzehnten Jahrhunderts spricht niemand mehr so.«
    »Ich bin ein vielbeschäftigter Mann«, erklärte er. »Es ist nicht leicht, sich auf sämtliche Neuerungen einzustellen.«
    »Das spielt jetzt keine Rolle. Was ist mit Golly? Sind Sie dafür verantwortlich, was mit ihr passiert ist?«
    »Nein, natürlich nicht.« Als er sich über die Stirn rieb, zuckte er zusammen. »Ich werde eine ganz schöne Beule bekommen, ist Ihnen das klar?«
    »Geschieht Ihnen recht.«
    Über die Sprechanlage erschallten die letzten Töne des Openings. Der schwache Applaus klang unbeteiligt. Es blieben nur noch wenige Minuten bis zu meinem Auftritt.
    Ich wusste, es wäre vernünftiger gewesen, unseren einzigen Wachmann zu rufen, damit dieser alte

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