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Verzaubert

Verzaubert

Titel: Verzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Resnick
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eine gute Frage.« Ich betrachtete stirnrunzelnd den Tisch und überlegte, welche logischen Schlussfolgerungen man aus Barclays Äußerungen ziehen konnte.
    »Miss Diamond, wieso wird diese Sache eigentlich von der Gewerkschaft untersucht? Clarisse und ich sind nicht einmal Mitglieder.«
    Ich entschied, ihm die Wahrheit zu sagen. Vielleicht erkannte sein verdrehtes Zaubererhirn eine Verbindung zwischen den beiden Fällen, die ich übersehen hatte. Während ich ihm von Golly erzählte, bestellte er sich blass einen weiteren Drink (dieses Mal Scotch mit Soda). Und als mein Bericht schließlich bei der zweiten Warnung angelangt war, wich jegliche Farbe aus seinem Gesicht.
    »Was werden Sie jetzt tun?«, fragte er.
    »Ich werde heute Abend in diese Kiste steigen. Bleibt mir eine andere Wahl?«
    »Das dürfen Sie nicht! Sie werden dahin verschwinden, wo auch die anderen beiden jetzt sind!«
    »Es könnte ein Zufall sein«, entgegnete ich.
    »Das glauben Sie doch selbst nicht.«
    »Zu glauben, dass sich seit letzter Woche die Gesetze der Physik geändert haben, fällt mir noch schwerer.«
    »Können Sie nicht mit Herlihy darüber sprechen?«
    »Er ist hysterisch«, antwortete ich.
    »Machen Sie ihm dafür keinen Vorwurf. Sie haben keine Ahnung, was für ein Gefühl das war.«
    »Ich kann mir vorstellen, wie Ihnen zumute ist.«
    »Nein, ich meine, wie es sich anfühlte, jemanden verschwinden zu lassen. In dem Moment, als es passierte,
wusste
ich es bereits. Noch bevor Clarisse nicht wieder auftauchte und ich die Kiste zerstörte, wusste ich, dass sie wirklich verschwunden war. Ich habe es gespürt.« Er barg den Kopf in beiden Händen und murmelte: »Ich weiß auch nicht, es muss eine Art atmosphärischer Störung oder Molekülübertragung gegeben haben, als sie sich dematerialisierte.«
    »Sie gucken zu viele Sci-Fi-Filme«, erwiderte ich, aber es beunruhigte mich, wie sehr Barclay von dem überzeugt war, was er sagte.
    »Wie erklären Sie es sich dann?«, entgegnete er.
    »Keine Ahnung, aber wenn ich mich lange genug damit beschäftige, wird mir schon etwas einfallen.«
    »Und wie lang ist ›lange genug‹?« Er sah auf seine Uhr. »Ihnen bleiben noch zwei Stunden bis zum Auftritt.«
     
    Mit Virtues Flitterkram für den ersten Akt behangen betrachtete ich mich im Garderobenspiegel und lauschte über die Gegensprechanlage, wie Joe und der Chor ihr Opening sangen. Mir blieben noch etwa zehn Minuten, und ich war so nervös, dass ich mich an keine einzige Zeile, kein Lied und keine Abstandsmarkierung erinnerte.
    »Beruhige dich«, befahl ich meinem Spiegelbild mit einer trockenen, rauhen Stimme, die nie über die ersten drei Textzeilen hinauskommen würde. Nichts löste meine Anspannung, weder Atem- noch Stimmübungen, Meditation oder Stretching. Kein Kräutertee und auch nicht das Gefühl von Magnus schützendem Kristall auf der Haut.
     
    Ich versuchte das Ganze positiv zu sehen. Der Trick mit dem Verschwinden war erst in zwei Stunden dran. Bis dahin konnte noch viel passieren. Joe war derart fahrig, dass er mich womöglich erstach oder in Brand setzte, bevor ich überhaupt die Chance hatte, in die Glaskiste zu steigen.
    »Das macht mir wirklich Mut«, erzählte ich meinem schwitzenden Spiegelbild. Ich fürchtete, mich jeden Moment wieder übergeben zu müssen.
    Gerade drehte ich mich vom Spiegel weg, als ein Windzug mein Haar zerzauste und mein dünnes Kostüm flattern ließ. Ich blickte zu dem einzigen Fenster in der Garderobe. Es war wie immer geschlossen. Und dem Mief in der Damengarderobe nach zu urteilen, war es das bereits seit Fiorello LaGuardias Zeiten. Ich schaute über meine Schulter. Nein, die Tür war ebenfalls zu.
    »Pst!«
    »Aah!«
Ich erschrak mich fast zu Tode.
    »Pst! Hier drüben!«
    Ich sah mich im Zimmer um, konnte jedoch niemanden entdecken. Es war eine Männerstimme. Ich nahm den Föhn in die Hand und schwenkte ihn wie eine Waffe. »Wo stecken Sie?«
    »Tut mir leid. Ich habe Schwierigkeiten mit dem Materialisieren.«
    »Was?«
    »Wenn Sie vielleicht einen Moment Geduld haben könnten …«
    »Geduld?«, krächzte ich. »Wer ist denn da? Was ist hier los?«
    Eine Stimme hinter mir sagte: »Ahhh. Geschafft.«
    Ich wirbelte herum und stieß mit jemandem zusammen. Mein Herz schlug so laut, dass es in den Ohren schmerzte. Dieser Mann war aus dem Nichts aufgetaucht!
    »Es tut mir schrecklich leid. Eigentlich hatte ich nicht beabsichtigt, auf diese Weise einzudringen«, erklärte er. »Ich hatte vor,

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