Verzaubert

Mann verhaftet oder zumindest aus dem Theater geworfen wurde. Aber ich hatte das Gefühl, dass diese sonderbare Person vielleicht jene Fragen beantworten konnte, die mich seit der Sache mit Golly so quälten.
    »Was ist mit Golly Gee passiert?«
    »Sie ist verschwunden, ganz einfach.«
    Das kurze Schweigen der Gegensprechanlage erfüllte den Raum.
    »Was meinen Sie mit ›ganz einfach‹? Menschen verschwinden nicht ›ganz einfach‹«, fauchte ich.
    »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich setze, Miss Diamond? Ich bin ein wenig müde. Diese Umwandlung ist anstrengend.« Er sank in einen der Sessel vor dem Spiegel.
    »Wer sind Sie eigentlich?«, fragte ich.
    »Mein Name ist Maximillian Zadok.«
    »M. Z.«
    »Ja.«
    »Was tun Sie hier?«
    Er blinzelte. »Das liegt doch auf der Hand. Ich bin gekommen, um Sie davon abzuhalten, heute Abend aufzutreten.«
    »Haben Sie das auch bei Golly versucht?«
    Er schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn. »Nein, ich wusste nicht, dass sie in Gefahr schwebt. Erst durch ihr Verschwinden wurde ich darauf aufmerksam, dass das Böse unter uns weilt.«
    »Jetzt das wieder.« Ich wurde wütend. »Das Böse?«
    »Ja!«
    Ich musterte ihn aufmerksam. »Sind Sie vielleicht auf Drogen? Haben Sie vergessen, Ihr Thorazin zu nehmen?«
    »Nein, nein und nochmals nein! Ich versichere Ihnen, dass ich bei gesundem Verstand bin. Und offen gesagt – bei dem Leben, das ich führe, will das eine Menge heißen.« Er sprang überraschend schnell auf und packte mich an den Schultern. »Bitte hören Sie mir zu, Miss Diamond. Sie müssen mir vertrauen, wenn ich Ihnen sage, dass Sie Gefahr laufen, dasselbe Schicksal wie Miss Gee zu erleiden.«
    »Welches Schicksal? Wo ist sie?«
    Er wirkte ein wenig verlegen. »Ich fürchte, das weiß ich nicht. Noch nicht.«
    Mein Herz schlug mir unter dem Virtue-Kostüm bis zum Hals. Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Ist sie tot?«
    »Nicht zwangsläufig.« Offenbar versuchte er, mich zu beruhigen.
    Die Stimme des Prinzen drang knisternd durch die Gegensprechanlage. »Ich suche eine tugendhafte Frau«, verkündete er.
    Mein Auftritt stand kurz bevor. »Das ist mein Signal. In einer Minute bin ich dran. Ich muss gehen.«
    »Nein! Bitte! Sie müssen mir glauben! Sie ist
wirklich
verschwunden. Genau wie die Assistentin des Großen Hidalgo!«
    »Ich muss jetzt da raus. Ich habe keine andere Wahl«, zischte ich und versuchte, mich seinem Griff zu entwinden.
    Er umklammerte mich mit beiden Armen. Ich kämpfte dagegen an, woraufhin er mir ein Bein wegzog und wir zu Boden fielen. »Natürlich haben Sie eine Wahl! Insbesondere in Anbetracht dessen, was man Ihnen zahlt.«
    Ich keuchte und stieß ihm den Ellbogen in die Rippen. »Woher kennen Sie meine Gage?«
    »Bitte, wir müssen damit aufhören!«, flehte er verzweifelt. »Ich verabscheue Gewalt.« Er zog mich an den Haaren und drehte mir gekonnt den Arm auf den Rücken.
    »Au! Hören Sie auf! Die sind mitten in der Aufführung! Wenn ich jetzt nicht da rausgehe, ist meine Karriere im Eimer. Dann kann ich von Glück reden, wenn ich bei einer Zahnpastawerbung das Loch im Zahn spielen darf.«
    »Nein! Die Vorstellung muss beendet werden. Hier lauert große Gefahr …
uff
«, fügte er hinzu, als ich ihm das Knie in den Bauch rammte.
    »Wenn Sie mich nicht gehen lassen, Sie Wahnsinniger, werde ich Sie verklagen, bis Sie –«
    »Sie werden dann nicht mehr in der Lage sein, mich zu verklagen. Verstehen Sie denn nicht? Golly Gee und Clarisse Staunton waren erst der Anfang!«
    »Woher wollen Sie – au! Gehen Sie von mir runter!«
    »Nein.« Er setzte sich mit verschränkten Armen auf meine Brust. »Erst, wenn Sie Vernunft annehmen.«
    »Vernunft?
Sie
haben gerade behauptet, dass sich diese Frauen ›ganz einfach‹ in Luft auflösten – und jetzt noch mehr spurlos verschwinden werden«, keuchte ich und versuchte, ihn von mir runterzuschieben.
    »Ganz recht.«
    »Wie kommen Sie überhaupt darauf?«, knurrte ich wütend.
    »Weil sich bereits ein weiterer solcher Fall ereignet hat.«
    Ich erstarrte. »Wie bitte?«, krächzte ich.
    Er nickte. »Letzte Nacht. An der Upper West Side.«
    »Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das ist ganz unmöglich.«
    »Beim jährlichen Gala-Dinner des Urban Cowboy Club von New York.«
    Mir wurde übel.
    »Duke Dempsey, der zaubernde Cowboy, steckte als großes Finale des Auftritts seine Assistentin Dolly in ein großes, strassverziertes Holzpferd und ließ sie