Video-Kid
das Zeichen gebe, trennen wir unsere Seile gleichzeitig ab!« Mit der drohenden Gefahr im Rücken war nach kaum einer Minute alles bereit.
»Los!« rief Armbruster Moses. Wir durchtrennten die übriggebliebenen Halteseile. Unmittelbar darauf stiegen wir in die Luft, und dann sanken wir in quälender Langsamkeit zur Oberfläche der Insel zurück. Armbruster, der schwerste von uns, berührte als erster den Ballon. Es mühte sich auf den Zehenspitzen über die Fläche und versuchte mit aller Kraft, den Rand der Insel zu erreichen. Verzweifelt wackelte ich in meiner Aufhängung und konnte ihm mit einiger Mühe helfen.
»Schneller, mach schon«, keuchte Armbruster. Der Aufstieg der Zelle nahm uns die Zugkraft, die wir zur Beschleunigung brauchten. Unsere Mienen führten nacheinander alle nur denkbaren Fratzen und Grimassen der Panik auf, die meine Kameras mit in Verlegenheit setzender Perfektion aufnahmen. Mindestens zehn Minuten verstrichen, bevor wir den Rand des Ballons erreichten. Anna kam gerade wieder zu sich, als wir an den abgerundeten, steilen Rand gelangten, benötigte aber einige Minuten, bevor sie wieder klar denken konnte.
»Du hast mich schon wieder geschlagen«, beschuldigte sie mich noch halb benommen.
»Wir haben jetzt leider keine Zeit, dich zu bedauern, also halt den Mund und hilf uns lieber!« schnaufte ich. Armbruster und ich traten aus Leibeskräften gegen den Ballonrand, um uns so von ihm abzustoßen. Zu unserem Leidwesen war die Krümmung der Insel so beschaffen, daß wir nach jedem Versuch ein Stück tiefer kamen, dann wieder treten mußten, erneut ein Stück gewannen und so weiter, aber nie mehr als drei Meter schafften. Diese Anstrengung schien kein Ende nehmen zu wollen, und während der ganzen Zeit wurden wir immer weiter ins Landesinnere getragen. Endlich hatten wir den Äquator der fliegenden Insel überwunden, und von dort an waren wir frei. Allerdings waren wir den Zellen immer noch so nahe, daß der Feuerball der Explosion uns verschlungen hätte.
»Da!« kreischte Armbruster. Anna und ich wichen in Todesangst zurück, als ein kugelartiger, roter Blitz an uns vorbeischoß, am Inselrand in Schräglage ging und dann auf der Seite liegend mit unglaublicher Geschwindigkeit davoneilte. Schwärme von Seevögeln lösten sich wie ein Feuerwerk von der Insel und tauchten in einer lärmenden, panikerfüllten Flucht in die Wolkenbänke unter uns ab.
Wir schrien dem Ex-Gründer eine Warnung zu, als wir an der Unterseite der Insel vorbeitrieben, aber wir konnten ihn nirgendwo ausmachen. Zum ersten Mal sahen wir den Boden der Last, eine gewaltige, erdige schwarze Masse aus verwickelten Wurzeln und herabtropfendem Schleim. Immense Pilze, so groß wie Kleiderschränke, hatten sich auf der Unterseite ausgebreitet.
Gemächlich setzte sich unser Abstieg fort, und ein etwas ruhigerer Wind trieb uns immer weiter von der Insel fort. Noch war keine Explosion erfolgt. Minuten vergingen. Immer noch nichts. Wir gerieten in eine Wolkenbank, die uns in dünne, weiße Feuchtigkeit hüllte. In diesem Augenblick erfolgte die Explosion: Ein Feuerblitz erleuchtete die baumwollartigen Wolken, ihm folgte ein ohrenbetäubender Knall, und dann kam eine Hitzewelle, die unseren Ballon eindrückte und uns selbst wie Marionetten hin und her riß. Unsere Münder standen weit auf, während unsere Körper unter dem Druck zitterten. Wir waren noch zu taub, um den breiigen Aufprall der Last zu hören, als das Erdreich auf dem Boden in alle Richtungen zerspritzte.
In meinen Ohren klingelte es, als sei ich bis obenhin mit Smuff vollgestopft. Meine Begleiter erkannte ich nur noch als verwischte Gestalten im Nebel. Ich brüllte sie an, konnte aber kaum meine eigene Stimme vernehmen. Meine Kameras, die von dem heißen Wind ein ganzes Stück weit fortgeweht worden waren, kehrten zu mir zurück. Ich dachte daran, mich zu Anna hinüberzuschwingen, entschied mich dann aber dagegen. Die Anspannung hätte womöglich mein Halteseil zerrissen.
Wir stiegen weiter ab. Innerhalb der Wolke war es unmöglich, die Fallgeschwindigkeit zu ermessen. Wir schienen kaum vom Fleck zu kommen, obwohl ich einige Male schlucken mußte, um meine klingelnden Ohren vom Druck zu befreien.
Plötzlich beschleunigte sich unser Fall. Vielleicht hatte der Ballon sich abgekühlt, vielleicht war irgendwo ein Riß entstanden, der sich vergrößerte. Wenige Augenblicke später war die Wolkenschicht über uns.
Ein verwirrend weit ausgedehntes Stück Land breitete
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