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Video-Kid

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Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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bereitete. Eins von den Büchern des Neutrums lag ganz in seiner Nähe. Auf seinem Rücken stand ein Titel aus vierzig oder fünfzig Buchstaben, in dem nur Hexa-, Dexa-, Chloro- und Silikat- vorzukommen schienen. Moses hatte darin gelesen.
    »Sieh dir das einmal an, teurer Freund«, sagte Moses Armbruster. Er drückte ein Stück Draht mit einem Dutzend Perlen zusammen und warf es gewandt in eine schmale Lücke in der Struktur des Armbruster-Körpers. »Da, hast du es gesehen? Es war genau umgekehrt: Lävulose statt Dextrose! Jetzt paßt alles zusammen. Die Ergebnisse haben sich bestätigt.«
    »Na, das ist ja wunderbar«, sagte Armbruster Moses, aber sein Tonfall klang eher nach einem höflichen Glückwunsch als nach ehrlicher wissenschaftlicher Begeisterung. »Das mußt du natürlich sofort in unsere Unterlagen eintragen; du weißt doch, wo sie sind. Wir drei machen uns bereit für den Absprung. Ohne Glück kann es allerdings eine recht lange Wartezeit werden.«
    »Nun, ich wünsche euch alles Gute«, sagte Moses Armbruster und sprang mit anmutiger Hast auf die Füße. »Ich wäre ja gern mitgekommen, um bei eurem Start dabeizusein, aber ihr versteht sicher, daß mir hier die Zeit auf den Nägeln brennt. Während des Transfers hatte ich wenig Gelegenheit, meine Unterlagen zu vervollständigen, und meine Berichte zur Ökologie befinden sich in einem verheerenden Zustand. Ich muß auch unbedingt nach den Petrischalen sehen; dort liegen einige Schimmelproben, die jeden Moment ihr Leben aushauchen können. Ich muß neue Spezies suchen und analysieren. Und ich habe meine Bandaufnahmen vernachlässigt. Ich habe viel zu tun. Erfreulich viel zu tun, und zwar in jeder Sekunde.«
    »Dann heißt es nun Abschied nehmen«, sagte Anna. »Wir werden dich wohl nie wiedersehen. Von jetzt an bist du allein.«
    »Oh, nein, nicht allein, meine Liebe«, sagte Moses Armbruster geistesabwesend und zupfte ein Stück Zellstoff von seinem Ärmel. »Um mich herum wird es vor Leben wimmeln. Auf dem ganzen Planeten brodelt es vor Leben. Und ich werde meinen kleinen Akkord zu diesem großen Orchester beitragen.« Plötzlich umarmte er die Heilige und gab ihr einen züchtigen Kuß auf die sich schälende Stirn.
    »Lebe wohl.« Er schüttelte meine Hand und umarmte dann auch mich. Ich spürte ein leichtes, angespanntes Zucken in seinen muskulösen Armen. Er schien vor innerer Erregung fast Fieber zu haben. »Adieu, mein lieber Kid«, sagte er. »Ohne Zweifel werde ich euch beide wiedersehen. Dir ist es vorbestimmt, ein berühmter Mann zu werden, und wenn es dir einmal beliebt, deinen armen Professor zu besuchen, werde ich mich freuen, dich hereinzulassen. - Lebewohl auch dir, Gründer.«
    »Ich werde mein Bestes für deine Sache unternehmen, Professor«, sagte das Neutrum und reckte in eiserner Entschlossenheit das bartlose Kinn vor.
    Moses Armbruster nickte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und leckte mit der Zunge an der Innenseite seiner linken Wange entlang. »Bitte zieht diese Tornister an, die ich gebaut habe«, sagte der Professor. »Ich habe die Säume verstärkt, und wenn das immer noch nicht ausreichen sollte, so findest du in deinem Rucksack Nadel und Faden, Gründer.«
    »Vielen Dank, Professor, wie immer denkst du an alles«, sagte Armbruster Moses. Es warf den schweren Tornister aus dickem grünen Plastik auf seine muskulösen Schwimmerschultern. Anna und ich hatten mit unseren kleineren Rucksäcken aus Zellgewebe etwas mehr Mühe. Sie waren schwer und etwas unhandlich. »Was ist denn da drin?« fragte ich mürrisch.
    »Vorräte aller Art«, erklärte das Neutrum. »Ich denke, ich habe nichts vergessen.«
    »Dann bleibt uns wohl nichts anderes mehr zu tun, als zu gehen«, sagte ich und sah auf das Wesen, das einst Moses Moses gewesen war. »Gründer«, begann ich.
    »Professor bitte«, antwortete er mit einem höflichen Lächeln.
    Ich zuckte irritiert zusammen. »Gut, dann Professor. Ich weiß nicht, warum du so etwas getan hast, aber ich möchte dir einen letzten Rat geben, falls du ihn hören willst. Laß dich nie von jemandem entdecken. Und gebrauche nie deinen Namen. Beides würde dir unweigerlich den Tod einbringen; in diesem Punkt ist die Kabale leider sehr berechenbar. Ändere deinen Namen. Ändere dein Gesicht. Und verstecke dich, solange es dir möglich ist.«
    »Vielen Dank, aber das ist genau das, was ich vorhabe«, sagte Moses Armbruster und nickte sanft. »Du denkst doch wohl nicht, daß ich alle Regeln der

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