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Video-Kid

Video-Kid

Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Strategie vergessen habe, was? Ich bin nicht so unbesonnen, unseren Feind direkt anzugehen, da kannst du dich schon drauf verlassen. Ich werde mich verkleiden. Und, Vid, befolge deinen eigenen Rat, denn deine eigene Transformation kommt rascher, als du denkst.«
    Mit dieser geheimnisvollen Andeutung drehte sich der ehemalige Gründer um und schenkte seine Aufmerksamkeit anderen Dingen. Armbruster Moses ging kräftig die unterste Sprosse der Strickleiter an, und wir machten uns an den langen, erschöpfenden Aufstieg durch das Innere des Ballons. Anna schützte mit den Ärmeln ihres Ponchos aus Membranstoff die blasenbesetzten Hände. Meine Arme schmerzten furchtbar, aber ich wartete, bis wir die Spitze der Insel erreicht hatten, bevor ich etwas Smuff einnahm.
    Als wir keuchend auf den runden Zellen zusammenbrachen, graute bereits der Morgen. Der Rand von Träumereis buttergelber Sonne erschien am Horizont, und wir hörten schwach die Begrüßungsschreie ungezählter Vögel, die auf den Kabeln oder im Schlamm der Last saßen.
    Armbruster Moses rappelte sich als erster wieder auf. »Wir müssen die Wolkendecke da unten im Auge behalten«, erklärte er. »Ich werde über den Rand des Ballons sehen. Ihr beide müßt mein Anker sein, sobald ich dieses Seil um meinen Bauch gebunden habe.« Es nahm den Tornister ab und zog ein Seil aus Kunstfaser heraus. Dann band es das eine Ende bequem um seine Taille, und wir brachen zum Rand des Ballons auf.
    Als die Krümmung der Zellen steiler wurde, suchten Anna und ich uns eine tiefe Ritze zwischen zwei Kugeln und gaben dem Neutrum Leine. Es stieg weiter hinab. Ich sandte ihm eine Kamera hinterher.
    »Wir sind schon über dem Landesinneren.« Wir hörten seine Stimme schon deutlich schwächer. »Mindestens dreieinhalb Kilometer von der Küste entfernt!« Das überraschte mich. Da wir uns mit dem Wind bewegten, konnte man unsere Geschwindigkeit kaum abschätzen, solange der Boden nicht zu sehen war. Wir alle hatten nicht das Gefühl, uns zu bewegen.
    »Was ist mit den Wolken'« brüllte ich so laut, wie es mir eben möglich war. Anna, die direkt neben mir saß, zuckte zusammen. »Furchtbar!« antwortete das Neutrum. »Da können wir immer noch nicht durch. Hoffentlich klart es bald etwas auf.« Lange kam nichts mehr von ihm. Anna und ich wunderten uns darüber, wie rasch der Ballon sich bewegte. Wir machten es uns in der Kuhle bequem und gaben mehr Leine. Eine Stunde verging. Schließlich riefen wir nach Armbruster Moses.
    Keine Antwort. Schließlich nach einigen Augenblicken: »Zieht mich hoch!« Wir rissen am Seil. So rasch es ihm nur möglich war, krabbelte das Neutrum hoch und rannte auf uns zu, sobald es wieder stehen konnte.
    »Beeilung!« schrie es. »Phoenixe!«
    Anna und ich sprangen auf. »Was sollen wir tun?« rief die Heilige. »Der Gründer ...«
    »Dafür bleibt jetzt keine Zeit mehr«, gab das Neutrum barsch zurück. Hier sprach ein harter, sturer Kommandant. Mein liebenswürdiger alter Tutor war wirklich tot. »Wir müssen die Verbindungskabel erreichen und unsere Zelle losschneiden. Die ganze verdammte Insel kann jeden Moment in die Luft gehen!«
    »Aber wir können ihn doch nicht dem sicheren Untergang überlassen!« beharrte Anna.
    »Sei nicht so töricht«, fuhr Armbruster Moses sie an. »Wir brauchen zwanzig Minuten, bis wir zu ihm hinuntergeklettert sind. In der Zeit sind wir längst verkohlt. Er hält sich jetzt sicher in der Last auf, und einen Phoenix kann er schon erkennen, wenn er einen solchen Vogel sieht. Wir müssen jetzt springen, trotz der Wolkendecke. Außerdem sind wir schon einige Kilometer tief im Landesinnern.«
    Anna überlegte und kam dann zu einem Entschluß. »Ihr zieht schon los«, sagte sie entschieden, »ich gehe ihn warnen.« Sie rannte los auf die Spitze des Ballons zu.
    Armbruster Moses und ich eilten ihr nach. Als wir die angebundene Zelle erreichten, gab das Neutrum mir ein unmißverständliches Zeichen. »Kid!«
    Ich holte Anna ein und versetzte ihr einen Hieb in den Nacken. Dann zog ich ihren bewußtlosen Körper zu den Halteseilen. »Gute Arbeit, Kid«, sagte es. »Befestige sie mit den Haken, die du im Tornister findest, an den Seilen.« Es hängte sich ein, und ich folgte seinem Beispiel. »Jetzt nimm das Messer und schneide sie vom Seil.« Auch das tat ich. Unser Abstiegsballon erhob sich ein Stück. Anna hatte keinen Boden mehr unter den Füßen und schwankte wie ein Pendel.
    »Und nun hängst du dich ein. Beeil dich! Sobald ich

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