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Video-Kid

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Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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aber es war doch ein Unterschied, selbst mittendrin zu stehen, die sanfte, kühle Brise zu spüren, die unterschiedlichsten Gerüche einzuatmen und unter den Füßen den laubbedeckten, schwarzen Humus zu fühlen. Ein Geräusch stach besonders hervor: ein durchdringendes, irgendwie ölig klingendes Doppelknarren, das sich endlos wiederholte. Ohne Zweifel stammte es von Insekten. Hin und wieder wurde das Geräusch von einem sanften Dröhnen wie von einer eisernen Trommel unterbrochen, die zur Hälfte mit Wasser gefüllt war. Manchmal verdrängte sie auch ein leises, kaum wahrnehmbares Knarzen, wie wenn jemand langsam Türen bewegt hätte, die an rostigen Zargen hingen. Etwas über mir hörte ich das Summen vorbeischwirrender Käfer, die mürrischen, heiseren Schreie der Baumtiere und das Trillern und Schnattern der Vögel. Auch andere Geräusche waren dazwischen: Rascheln, Tröpfeln, Schaben. Und das waren erst die bekannten Geräusche; Töne, die man so oft gehört hatte, daß sie einem im Gedächtnis hängengeblieben sind. Aber die ungewohnten: Gebrüll, Angstschreie, vielleicht Rufe, mit denen Terrain markiert wurde ... allesamt beeindruckend in ihrer Eindringlichkeit. Wo ein anderes Tier lediglich mit einem einfachen Bellen oder Knurren ausgekommen wäre, mußte ein geräuschbewußtes Tier auf Träumerei ein ganzes Arpeggio ausstoßen und es, je nach Gegebenheit, variieren.
    Anna und das Neutrum hatten den Boden erreicht und kamen zu mir. Armbruster saugte an einem kleinen Kratzer auf seiner Schwimmhaut. »Was für merkwürdige Ameisen!« sagte Anna. »Warum haben sie uns nicht gebissen?«
    »Oho, gebissen haben sie schon«, sagte Armbruster. »Aber unser Metabolismus spricht auf ihr Gift nicht an. Wenn du genau hinsiehst, kannst du ihre Bisse erkennen, auch wenn sie überhaupt nicht entzündet sind.«
    Anna wischte Blätter von ihrem losen Gewand aus Ballonstoff. »Hier unten ist es erfrischend kühl«, bemerkte sie. »Dabei dachte ich immer, im Dschungel wäre es feucht und stickig.«
    »Für andere Planeten trifft das auch sicher zu, aber bei Träumerei handelt es sich in jeder Hinsicht um einen Sonderfall«, sagte Armbruster. »Dieser Dschungel ist das Ergebnis einer fortgeschrittenen Evolution, nicht aber gewöhnlicher tropischer Verhältnisse. Die hiesige Photosynthese ist außerordentlich wirkungsvoll. Da sie mehr an Sonnenenergie einfängt, können die hiesigen Pflanzen eine größere Population ernähren als die Flora anderer Welten. Und ein Dschungel erweist sich in ökologischer Hinsicht stets stabiler als andere Landschaftsformen, denn in ihm findet sich ausreichend Raum für eine Unzahl der verschiedensten Spezies. Die Stabilität eines Ökosystems hängt im hohen Maße von der Mannigfaltigkeit seiner Arten ab; das ist sozusagen ein Naturgesetz. Und dieser Dschungel ist einige Milliarden Jahre alt.«
    Anna lachte fröhlich. »Ich hatte schon befürchtet, dies sei ein gräßlicher Ort. Aber er ist wunderschön, wie ein Park! Man braucht sich nur diese majestätischen Bäume anzusehen! Hier unten ist es wirklich einmalig. Mir gefällt der Dschungel viel besser als unser Ballon.«
    »Verlaß dich nicht zu sehr auf den ersten Eindruck«, sagte Armbruster. »Wir müssen immer noch mit der Masse fertig werden, bevor wir die Küste erreichen.«
    »Ich verhungere gleich«, sagte ich. »Erst einmal etwas essen, bevor wir mit unserer Reise beginnen. Nach Smuff bekommt man immer einen Bärenhunger.«
    Armbruster Moses sah mich vorwurfsvoll an. »Nimmst du immer noch diese Droge? Hör mal, Kid, du bist doch so gut wie geheilt; zumindest sind deine Schrammen verschwunden.«
    »Nur die großen«, antwortete ich. »Davon abgesehen hasse ich Schmerz.«
    »Wie du meinst«, sagte Armbruster und entledigte sich seines Tornisters. »Aber wir müssen dafür Sorge tragen, daß wir mit unseren Vorräten hinkommen. Andernfalls bleibt uns nichts anderes übrig, als uns vom Dschungel zu ernähren, und inmitten der Masse bringt das einige Risiken mit sich. Das Gift der Ameisen konnte uns nichts anhaben, aber hier gibt es etwas, das zwar für die Lebewesen dieser Fauna harmlos ist, uns aber mausetot macht. Früher einmal wußte ich, was dies für ein Etwas war, aber jetzt will mein Gedächtnis nicht mehr so recht … Und in der Masse kann man nie mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, was man vor sich hat. Aber das werdet ihr selbst noch früh genug feststellen.«
    Es griff in seinen Tornister und zog drei schmackhafte

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