Video-Kid
sich unter unseren Füßen aus, und ein Mischmasch aus Weiß, Braun und Grün ließ mich vor Schmerz die Augen zusammenziehen. Die Morgensonne brannte hell, und vom Meer war nirgends etwas zu sehen. Wir konnten auch nicht die Stelle ausmachen, an der die fliegende Insel aufgeprallt war.
Der frische Wind trieb uns rasch voran, wie ich jetzt feststellen konnte. Die Wipfel der Dschungelbäume bewegten sich in der warmen Brise und rauschten unter uns vorbei. Wir waren etwa sechzig Meter über ihnen, und sie wirkten gigantisch.
Ich hörte ein undefinierbares Gemurmel. Als ich mich umdrehte, sah ich, wie Armbruster brüllte und auf die Bäume unter uns zeigte. Das Neutrum vollführte mit seinen schlanken, schwimmhautbesetzten Händen greifende und ziehende Bewegungen. Es wollte wohl, daß wir die Äste in den Wipfeln der Bäume packen sollten, sobald wir dicht über dem Dach des Waldes trieben. Ich nickte heftig, um ihm anzuzeigen, daß ich verstanden hatte.
Nirgendwo waren Lichtungen oder sonstige freie Stellen zu entdecken. Ich erkannte an den eigentümlichen weißen Flecken auf einigen der Bäume, daß wir uns wirklich über der Masse befanden. Andere Kontinentalwälder wiesen alle Arten von Grünschattierungen auf, aber niemals Weiß. Soweit ich es während unseres schwindelerregenden Abstiegs ausmachen konnte, waren die Bäume ansonsten normal.
Armbruster hing am tiefsten von uns dreien hinab. Seine Füße brachen durch die dünnen Wipfelzweige eines besonders hohen Baumes, als wir darüber hinwegtrieben. Es griff nach einem davon, riß aber nur die Blätter ab. Wir krachten geschlossen in den nächsten Dschungelriesen und griffen nach Ästen und Zweigen. Der Ballon zerrte mit aller Kraft an uns und riß Anna los, aber dann bekam sie einen anderen Ast zu fassen. Armbruster und ich klammerten uns wie Schiffbrüchige an das Holz. Ich besaß immer noch Armbrusters Messer und hätte mich damit losschneiden können, aber das hätte die Zugbelastung bei den beiden anderen unerträglich gemacht.
Dann trieb ein warmer Windstoß den Ballon in einen Baum, und wir hörten, wie die Zellwand aufriß. Von einem Moment auf den anderen wurde der Ballon schlaff. Wir waren sehr froh, daß er nicht explodiert war. Ebenso schlagartig wich der Zug von uns. Armbruster und ich schnitten uns los.
Der riesige Baum, an dessen Ästen wir uns festhielten, wirkte ganz normal. An keiner Stelle ließ sich das typisch Weiße der Masse ausmachen. Seine Ringe waren glatt und grau, und die wächsernen grünen Blätter waren so breit wie zwei nebeneinander liegende Handflächen. Sie teilten sich in drei Lappen ein und rochen schwach nach Zimt. Durchsichtiger, stinkender Saft war an den Stellen ausgetreten, an denen unser Aufprall kleinere Zweige abgerissen oder abgeknickt hatte.
»Ameisen!« schrie Armbruster plötzlich. Ich konnte ihn kaum verstehen. »Ameisen! Rasch, klettert nach unten. Sie sind schon überall auf mir!«
Dann spürte auch ich ein Kitzeln an den Füßen und am Nacken. Kleine schwarze Ameisen ergossen sich aus Blasen, die an einigen Ästen hingen. In meiner zusammengekrümmten Stellung sah ich, daß sie wie verrückt in meine Füße bissen. Gott sei Dank hielt sich der Schmerz in Grenzen. Es fühlte sich in etwa so an, als würde mir jemand mit einem harten Pinsel in die Haut pieken. Die Wildheit ihres relativ schmerzlosen Angriffs verblüffte mich dennoch, und ich machte mich, trotz der Last auf meinem Rücken, eiligst an den Abstieg. Unterwegs zertrat oder zerdrückte ich einige Ameisen; dann achtete ich darauf, es zu unterlassen, denn sie verströmten einen entsetzlichen Gestank.
Beim Hinunterklettern entdeckte ich, daß der Dschungel sich in drei abgesonderte Schichten unterteilte: ein sonnendurchflutetes Dach, in dem wir gelandet waren, eine dichtere Mittellage, in der sich die grünen Wipfel der kleineren Bäume zusammendrängten, und tief unten ein buntgefleckter Boden.
Mit meiner Agilität hatte ich Anna und Armbruster bald überholt und ließ mich die letzten drei Meter bis zum Boden fallen. Beruhigt, daß ich ihrem geliebten Baum nichts mehr anhaben konnte, ließen die Ameisen von mir ab und zogen in dicken schwarzen Zügen davon.
Mit jeder neuen Minute vermochte ich besser zu hören, und bald vernahm ich die Kakophonie des Dschungels. Das Auralspektrum war so überfüllt mit Geräuschen, wie es im Dschungel selbst von Leben wimmelte. Ich hatte eine ähnliche Geräuschkulisse schon einmal von einem Band gehört,
Weitere Kostenlose Bücher