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Video-Kid

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Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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erklärte ich, es sei aus moralischen Gründen geschehen. Ich polemisierte nicht gegen die Regierung, und ich putschte nie die Massen auf. Im Grunde genommen habe ich nicht einmal meine moralischen Beweggründe ausformuliert. Natürlich habe ich auf die Not der Armen verwiesen, aber ansonsten habe ich nur Plattitüden von mir gegeben, die ich mir in den langen Jahrzehnten der Lektüre angelesen hatte. Offen gesagt, ich hatte ein kleines Notizbuch, in dem ich solche Sprüche gesammelt und geordnet hatte, um sie bei jeder passenden Gelegenheit an den Mann zu bringen. Sie erwiesen sich als ungeheuer hilfreich.« Er hielt inne. »Die Menschen geben ihr Leben für eine Idee, wenn sie nur gewaltig genug scheint und ihnen nie genauer erklärt wird.
    Der wahre Grund für meine Ablehnung war der, daß ich mich längst auf die Seite der Konföderation geschlagen hatte. Ich war dringend auf diese Institution angewiesen, weil sie die Kontrolle über den Planeten ausübte, den ich so dringend haben wollte. Die Akademie untersuchte gerade, ob sich diese Welt für eine Kolonisierung eignete, und ich wußte aus meinen Nachforschungen, zu welchem Ergebnis sie gelangen würde. Aber die Lage war für mich nicht aussichtslos: Für einen gewissen Preis konnte ich den Planeten bekommen.
    Glücklicherweise arbeitete die Akademie sehr langsam, wie sie es immer schon getan hat, und diese Welt verlangte eine ganze Menge an Untersuchungen, Nachforschungen, Analysen und so weiter. Besonders das Mikroleben bereitete den Wissenschaftlern einiges Kopfzerbrechen.
    Im Alter von einhundert Jahren habe ich zum ersten Mal geheiratet und mit hundertundzwanzig zum zweiten Mal. In beiden Fällen suchte ich mir die Frauen nach ihrem Vermögen aus. Auch nach der Trennung blieben meine Frauen und ich Freunde. Durch diese Ehen wurde ich von einem ziemlich reichen zu einem superreichen Mann. Ich konnte nun den mildtätigen Gönner und Wohltäter spielen: seltene Tiere und Naturgebiete erhalten, Bibliotheken beschenken oder neue gründen und den Armen Nahrung, Kleidung und Wohnung geben. Das war ebenfalls eine Taktik, die ich aus meinem Studium der Vergangenheit gelernt hatte. Auf diese Weise bewahrte ich meinen untadeligen Ruf und auch meinen Reichtum. War das Heuchelei? Handelte ich schizophren? Ich bin in diesem Punkt nie zu einer Entscheidung gekommen.« Er schüttelte den Kopf.
    »Ich wußte schon, daß ich das niwlindische Direktorat mit Zähnen und Klauen bekämpfen mußte. Natürlich haßte es mich unnachgiebig; wie es jede Macht hassen mußte, die es weder kaufen noch ausschalten konnte. Ich kannte zwei Gruppen, die mich in diesem Kampf unterstützen konnten: die Konföderation und die Öffentlichkeit.« Plötzlich kam ihm ein Gedanke.
    »Existiert die Konföderation eigentlich noch?«
    »Sicher«, sagte ich. »Seit deiner Zeit ist sie jedoch schwächer geworden. Zu vieles hat sich dezentralisiert.«
    »Ja, ja«, sagte Moses Moses, »das habe ich damals schon kommen sehen. Wie dem auch sei, mir wurde klar, daß ich jetzt die Massen aufbringen mußte. Ich mußte mich zu einem solchen ständigen Ärgernis für die Mächtigen machen, daß sie froh sein würden, mich loszuwerden, ganz gleich, wie teuer es für sie wurde. Als ich hundertdreißig war, änderte ich meinen Namen in Moses Moses und gründete die Korporation.
    Ich wollte die Bodenschätze des Morgensterns ausbeuten, wollte ihn so ausnehmen, wie es noch nie zuvor einem Planeten widerfahren war. Wollte ihn zerbröseln, zerreißen und sein Innerstes nach außen kehren.
    Ich stellte mir einen ganzen Schwarm von Eininseln vor. Riesige, zylindrische Orbitalstädte von der Art, wie sie die Konföderierten bewohnen. In meiner Zukunftsvision sah ich mein Volk in diesen Zylindern wohnen, Drohnen bauen und sie darauf programmieren, einen Planeten in Stücke zu reißen. Ich wußte, daß der Markt für die Metallvorkommen des Morgensterns vorhanden war, aber bis es soweit war, mußte ich gewaltige Investitionen tätigen. Ruinöse Investitionen. Aber Niwlind war bereit, ruiniert zu werden.
    Ich stellte die besten Ingenieure ein, die ich finden konnte, und ich gründete Schulen, um neue Techniker auszubilden. Ich warf mit dem Geld nur so um mich, arbeitete wie ein Besessener. Die notwendigen Pläne für die Konstruktion von Eininseln erhielt ich von der Konföderation und bezahlte sie dafür in der Münze, die sie am meisten schätzte: Spionage. Ja, ich gebe es offen zu, ich habe Verrat begangen. Viele Beamte

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