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Video-Kid

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Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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bloß einer mein Geschwätz an! Ich habe meine Chance bekommen und habe mein Bestes gegeben. Mir gehörte ein Planet, und ich habe die Menschen geführt. Wie viele Männer können so etwas schon von sich sagen? Ich bedaure nichts mehr. Zumindest darf ich auf meiner Welt sterben.«
    Unbewegt sah er uns an. Auf seinem Gesicht lag ein Zug, den man des öfteren bei alten Menschen antrifft: Sie scheinen alles aus großer Distanz zu sehen. Nach einer Weile sagte Moses: »Ich habe euch mit in den Tod gezogen. Es tut mir leid, aber offen gesagt, bin ich froh darüber, nicht allein sterben zu müssen. Da mir ein verständiges Publikum zur Verfügung steht, kann ich euch doch gleich die ganze Geschichte erzählen, nicht wahr? Schließlich bleiben uns sicher noch ein paar Stunden. Und irgendwie müssen wir uns ja unterhalten. Wenn es euch also beliebt, erzähle ich euch die Geschichte meines Lebens.«
    »Es würde mir eine Ehre sein, sie zu hören«, sagte Sanktanna. Ich nickte nur und sagte: »Warum nicht? Wir sind ja unter uns und haben keinen Grund, weiterhin Geheimnisse voreinander zu haben. Wenn uns danach noch etwas Zeit bleibt, erzähle ich gern meine Geschichte.«
    »Das tue ich auch«, sagte Sanktanna.
    »Fein«, meinte Moses. »Dann will ich beginnen.«

7
     
    »Ich wurde geboren vor … wann war das gleich? … vor achthundertundzehn Jahren geboren, auf Niwlind. Wahrscheinlich war ich ein Retortenbaby, aber es ist nicht ausgeschlossen, daß ich durch eine natürliche Geburt auf die Welt gekommen bin. Ich weiß es nicht mehr. Ich wurde in einer staatlichen Kinderbewahranstalt aufgezogen, aber meine frühesten Erinnerungen setzen erst ein, als ich etwa neunzehn Jahre alt war.« Seine buschigen Brauen schoben sich angestrengt zusammen, während er sich bemühte, durch das Erinnerungsgeröll der Jahrhunderte zu finden. »Für mich wäre alles viel einfacher, wenn mir mein Computer-Gedächtnis zur Verfügung stünde. Aber das befindet sich natürlich unter dem Boden von Telset in meiner Kryo-Gruft. Aha, jetzt fällt es mir wieder ein. Louise, ja, Louise war ihr Name. Ich hieß damals noch nicht Moses Moses, sondern irgendwie anders, aber das habe ich leider vergessen. Ich arbeitete damals im Amt für Orbitalforschung und -Vermessung. Ich saß an Bildschirmen und überwachte die Ressourcen-Satelliten. Der Job war nicht schlecht, ganz bestimmt nicht für einen Neunzehnjährigen. Aber ich habe ihn gehaßt. Damals war ich ein Jugendlicher mit einem hellen Kopf, und Louise war mein Boß. Sie war so um die achtzig. Im Grunde war sie damit noch nicht erwachsen, aber ich hielt sie für den Gipfel an Lebenserfahrung. Ich wußte, daß sie schon eine ganze Reihe fremder Betten kennengelernt hatte, und das kam mir sehr verrucht und aufregend vor.
    Ich weiß nicht mehr, wie ich ihre Aufmerksamkeit errungen habe … wahrscheinlich habe ich gehörig großgetan, wohl auch, um meine kleine Statur wettzumachen. In jener Zeit ärgerte es mich ungemein, nicht sonderlich groß geraten zu sein. Den Grund dafür habe ich vergessen. Ich nehme an, sie hielt mich für süß. Eines Tages rief sie mich in ihr Büro und führte mir vor, zu welcher Erfahrung sie es gebracht hatte, und das war wirklich eine ganze Menge. Danach war ich nicht mehr ich selbst, sondern wie betäubt. Natürlich habe ich den Kopf verloren. Ich schwor ihr ewige Treue, fiel vor ihr auf die Knie und bat sie, nur mir zu gehören, erzählte ihr immer wieder, daß ich nur sie allein auf der ganzen Welt liebte, daß ich sie ganz verzweifelt liebte, daß ich mein Leben für sie hingeben würde, wenn es ihr gefiele, daß ich ihr den leisesten Wunsch von den Augen ablesen wollte. Sie war wie eine Droge für mich, und je öfter ich sie sah, desto abhängiger wurde ich. Das hat sie sicher sehr amüsiert.
    Sie spielte eine Zeitlang mit mir herum … nicht lange, vielleicht zwei Jahre. Natürlich erschienen mir damals zwei Jahre wie die halbe Ewigkeit. Die anderen Büroangestellten waren sauer, weil ich der Liebling Louises war. Auf Niwlind war der Sex zur damaligen Zeit etwas Hochpolitisches. Wenn man einen Posten in der Verwaltung haben wollte, mußte man gehörig mit Sex nachhelfen. Nun denn, eines Tages erklärte mir Louise, wir müßten Schluß machen, damit das Arbeitsklima im Büro nicht noch mehr unter unserer Beziehung zu leiden habe.
    Ich geriet in eine furchtbare Wut, beschimpfte sie, tobte und drohte, Selbstmord zu begehen. Früher war ich sehr jähzornig und konnte es nicht

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