Video-Kid
genießen ? Ein anderes Verhalten wäre in meinen Augen eine Beleidigung dieser Welt. Wir sollten an ihren Reichtümern teilhaben, mit der gebotenen Wertschätzung.
Quadra verließ das Zimmer mit drei grotesk langen Schritten. Ich wollte mich gerade auf den Topf stürzen, als ich das Ping-Ping-Ping einer persönlichen Computerbotschaft hörte. Ich schaltete den persönlichen Kanal ein und sah das froschartige Gesicht des genialen Reichhart Münz-Scheinberg, meines Freundes und Gönners.
»Hallo, Scheinchen«, sagte ich. »Wie nett, mal wieder was von dir zu hören.«
»Geht mir genauso, Kid«, meinte Scheinchen und leckte sich über die vorgestülpten Lippen. »Willst du mich mit deinem verkümmerten, haarlosen Gehänge anmachen? Du scheinst deine wahre Bestimmung bisher übersehen zu haben, mein Süßer. Du hättest dich bei den Porno-Produzenten bewerben sollen.«
»Bitte vielmals um Verzeihung«, sagte ich und zog ein Kissen über meine Lenden, »ich hatte wirklich nicht vor, deinen verkommenen Leidenschaften Vorschub zu leisten.« Quadra brachte mir eine Schürze, die ich rasch überwarf. »Quadra, Baby, bleib hier und reib mir die Füße«, erklärte ich ihr, wollte damit aber vielmehr Scheinchens Aufmerksamkeit kitzeln. Als Quadra sich am Couchende niederließ und voller Anbetung meine Füße bearbeitete, nahm ich mit den Eßstäbchen einen Mundvoll knusprigen Marschgrases aus dem Topf und reichte ihn ihr. Sie freute sich darüber. Mit einem kurzen Blick auf die Kamera überzeugte ich mich davon, daß Scheinchen alles mitbekommen hatte. »Ein wunderbarer Sonnenuntergang war das heute wieder, was, Münz-Scheinberg? Bin rechtzeitig aufgestanden, um ihn mir anzusehen.«
»Ja, wunderbar, ganz wunderbar«, antwortete er zerstreut, und seine blauen Augen stierten mich kurz verwundert an. »Für meinen Geschmack hätte eine Spur mehr Purpurrot hineingehört. Jetzt hör mir mal zu, mein Lieber. Ich plane, in etwa zwölf Stunden ein weiteres Frühstück zu mir zu nehmen. Sagen wir so drei Stunden vor Morgengrauen? Ich könnte gut einen Kampfkünstler gebrauchen, um meine kleine Runde zu vervollständigen, und du weißt, Kid, daß du mein As der Asse bist?«
»Ich denke, das sagst du allen Kämpfern, die du nicht um den Finger wickeln kannst«, sagte ich, »aber keine Sorge, ich komme. Wäre wohl ein wenig zu durchsichtig, dieses zertrümmerte Bein hier als Entschuldigung anzugeben.« Ich hob das betreffende Bein und zeigte ihm den transparenten Verband und die Elektroden, die die Knochen wieder nachwachsen ließen. »Es wird mich schon tragen, ich komme vorbei.«
Scheinchen rümpfte die Nase. »Wie selbstlos! Spreche ich da wirklich mit Video-Kid, meinem Star der Stars? Hör zu, Schatz, ich schicke dir ein Quartett meiner aufregendsten Porno-Stars, die dich in einer parfümierten, überdachten Sänfte tragen sollen. Warum willst du es riskieren, unterwegs auf ein paar hirnlose Penner zu stoßen, die an dir ihr Mütchen kühlen wollen und doch zu dumm sind, deinen Nunchuck zu erkennen, wenn er sie schon getroffen hat? Paß mal auf, ich regle das schon mit deinem Transport.« Er wedelte mit seinen klobigen Fingern in der Luft. Das Thema war damit für ihn beendet. »Wie hast du dir während deiner Rekonvaleszenz die Zeit vertrieben, teurer Kid? Vielleicht Bänder angeschaut?«
»Ganz genau.«
»Bestimmte Bänder?«
»Och, nichts Besonderes. Ein Mußeband mit Aufnahmen aus der Wildnis war dabei, von irgendeinem Hochgleiter. Der Computer arbeitet fabelhaft. Und Kanal 85 habe ich mir angeschaut. Eins war dabei wirklich interessant. Die Frau auf 85 benutzt eine Manipulations-Drohne. Sie sieht nicht nur passiv zu - sie hebt Dinge auf und sieht sie sich an. Das ist wirklich genial.« Wir schalteten unsere Visionsverbindung ab und auf Kanal 85 über. Unser Audio diente als Voiceover. »O ja, ich erkenne diese Arbeit jetzt«, sagte Scheinchen. »Das ist Cewaynie Feuchtlocke. Sie ist noch ganz neu in der Branche … und jünger als du.«
Ich hatte noch nie von ihr gehört. Wir ergingen uns in einer minutiösen fachmännischen Diskussion über Cewaynies Fähigkeiten und Möglichkeiten. Zwei Stunden verbrachten wir damit. Scheinchen brachte mich schließlich zu dem Versprechen, ihm ein Band für seine kunstverständige Sendung zu machen (eine Sendung, mit der er endlich auch die Augen und Ohren von Cewaynie Feuchtlocke erreichen wollte). Zeit bedeutet einem dreihundertjährigen Träumereier so gut wie nichts, aber es war
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