Viele Mütter heißen Anita
lobte seine Zeichnungen und meinte, daß aus ihm etwas werden könne, wenn er fleißig an sich arbeitete. »Quält ihn nicht und laßt ihn so, wie er ist. Er ist wie junger Wein – er muß erst gären und sich läutern. Wartet ab, was aus ihm wird … ein guter Wein muß lange liegen, bis er reif ist.«
Und Anita handelte nach diesen Worten des weisen Dr. Osura. Sie ließ Juan gewähren und schützte ihn vor Pedro.
Ja, so war das Leben auf dem Hof der Torricos. Still, verbissen, schwer und manchmal ein wenig lustig.
Juan war aus Solana del Pino zurückgekehrt und hatte die zusammengebundenen Kuhseile der Mutter gegeben. »Herr Granja läßt bestellen«, richtete er aus, »daß Pedro einen Karren voll Äpfel und anderem Obst zu ihm bringen soll. Er will die Seile damit verrechnen.«
»Und was hat er noch gesagt?« fragte Anita und band die Seile auseinander, prüfte sie und riß an ihnen.
»Sonst hat er nichts gesagt.«
»Und was machen die Kühe?«
»Sie liegen unter den Pinien und schlafen.«
»Du mußt sie am Abend holen, Juan.«
»Ja, Mutter.«
Und dann aß er seinen Pudding und die Scheibe trockenen Brotes, und es war, als habe ihm das Essen noch nie so gut geschmeckt wie zu dieser Stunde. Pedro sah einmal kurz in die Küche, brummelte, als er Juan sah, und ging wieder hinüber zu den Gärten, wo Elvira aus kleinen Kübeln das schmutzige Brunnenwasser auf die Gemüse goß und darauf achtete, daß kein Tropfen verlorenging und neben den Stauden in den Staub rann.
Nach dem Essen ging Juan in seine Stube und setzte sich ans Fenster. Er holte seinen Zeichenblock aus der Tasche, spitzte den Bleistift mit einem alten Küchenmesser und sah dann hinaus über die Hügel und die dürstenden Pinien, über die braunen Felder und die sandigen Wege und dachte an das schmale Gesicht Concha Granjas.
Er wollte sie zeichnen, mit ihren schwarzen, etwas geschlitzten Augen, dem zarten Gesicht, den langen, schwarzen Locken und dem roten, kleinen Mund, der so herrlich lachen konnte. Erst wollte er sie zeichnen, um sich das Bild einzuprägen, und dann wollte er sie aus dem Granit der Felsen von Santa Madrona hauen, aus dem Granit, der hart war wie Eisen und weich werden würde in der Form dieses schönen, mädchenhaften Gesichtes.
Er dachte an sie, wie sie mit ihm über die Straße nach Solana del Pino ging. Wie sie den Kopf ein wenig zur Seite neigte, wenn er etwas sagte, wie sie entsetzt aussah, als er von dem Adler erzählte, der eine Maus zerriß, und wie sie ihn mit großen Augen anstarrte, als er sagte, daß auch die Menschen Tiere töten, um zu leben.
Und dann zeichnete er. Zaghaft erst, mit vorsichtigen, tastenden Strichen. Es wollte kein Gesicht werden, was seine Hand umkreiste – es wurde ein Weg und ein Baum und ein Dorf, es konnte alles sein … nur war es nicht Concha, die er suchte. Dann wurden seine Striche mutiger, kühner – sie schlugen Bögen und verdichteten sich und nahmen Formen an … es waren Locken oder eine Nase oder der Bogen des Kinnes oder der Schwung der Brauen … und dann wurde das Bild lebendig, es bekam Seele und einen Atem, die Augen leuchteten, und es war Concha, die er sah, Concha Granja, wie sie über ihm stand und ihn anlächelte, als sie die Blätter aufsein Gesicht rieseln ließ.
Nebenan hustete Anita. Sie mußte immer husten, wenn sie etwas Schweres hob. Jetzt räumte sie die Küche auf und schob den schweren Holztisch vor sich her. Keiner war da, der ihr half – Pedro und Elvira waren in den Gärten. Juan … sie schaute zur Tür, hinter der er saß und zeichnete. Sie stutzte einen Augenblick, ob sie ihn rufen sollte, doch dann schob sie verdrossen den Tisch in die Herdecke und putzte die Küche mit einem Lappen.
Als sie damit fertig war, ging sie in die Kammer Juans und sah ihn am Fenster sitzen und zeichnen. Sie stellte sich hinter ihn und schaute über seine Schulter auf das Bild.
»Ein Mädchen?« fragte sie erstaunt. »Seit wann zeichnest du Mädchen?«
»Seit heute, Mutter.« Juan blickte zu ihr auf. Er sah ihr altes, runzeliges, verarbeitetes Gesicht. »Gefällt es dir?«
Anita sah das Bild noch einmal an und zwinkerte mit den Augen. »Wer ist es denn, Juan?«
»Concha.«
»Ich kenne keine Concha.« Anita schüttelte den Kopf und wischte sich die Hände an der Schürze ab, ehe sie den Block in die rauhen Hände nahm und näher an die Augen führte. »Wo hast du sie gesehen?«
»Sie kam heute an der Weide vorbei und fragte mich. Es ist die Tochter von Ricardo
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