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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Granja …«
    »Von dem Händler in Solana?«
    »Ja, Mutter.«
    »Nana.« Sie wiegte den Kopf und legte den Block auf die Fensterbank. »Es ist nicht gut, Juan«, sagte sie, »wenn ein armer Bauer die Tochter eines Reichen ansieht.«
    »Ich bin kein Bauer!« rief Juan und sprang auf. »Ich will ein Künstler werden.«
    Anita richtete den umgestürzten Stuhl auf. »Ricardo Granja ist ein großer Mann«, sagte sie einfach. »Er wird dir verbieten, seine Tochter anzusehen und sie zu zeichnen. Und er tut gut daran. Wir sind arme Leute, Juan, und dürfen das nie vergessen.« Sie sah den Sohn mit mütterlicher Weisheit an. »Du hast dich verliebt, Juan?«
    »Nein!« sagte er trotzig.
    »Aber warum denkst du denn an sie und zeichnest sie?«
    »Weil sie ein schönes Gesicht hat. Sie soll mein Modell sein.«
    Anita ergriff die Hand des Sohnes und hielt sie fest, als müsse sie ihn vor einer Gefahr zurückhalten. »Es wird ein Unglück geben«, meinte sie still, denn sie konnte nicht böse sein, wenn sie in das schmale Gesicht Juans sah. »Dein Bruder bringt viel Obst in Granjas Laden, wir leben von seinem Geld. Wenn er uns böse wird, müssen wir sehr hungern, Juan.«
    »Er wird nicht böse sein«, schrie er auf und entriß der Mutter seine Hand. Dann ergriff er das Blatt Papier, riß es aus dem Block und zerfetzte es in seinen Händen. Er rannte aus der Kammer, über den Hof und hinein in die Berge, und Anita bückte sich, sammelte die Fetzen auf und trug sie in die Küche, wo sie sie im Herd verbrannte.
    Kurz darauf kam Pedro aus den Gärten zurück und sah sich um.
    »Wo ist Juan?« knurrte er.
    »Er will die Kühe holen«, antwortete Anita und hantierte an einem Kessel.
    »Ich sah ihn vorhin wegrennen.« Pedro blickte die Mutter an. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen. »Hat es Streit zwischen euch gegeben?«
    »Streit? Es gibt nie Streit zwischen Juan und mir.«
    Pedro brummte eine Antwort und ging aus dem Haus. Er schlug hinter der Scheune einen Bogen und ging in der Richtung weiter, die er den Bruder hatte laufen sehen. In den Hügeln sah er ihn endlich im Gras liegen, und er fühlte, wie der Zorn in ihm aufstieg und übermächtig wurde.
    »He!« brüllte er. »Juan! Du!« Er trat vor ihn hin und blickte auf ihn herab. »Ich denke, du holst die Kühe?«
    »Das werde ich auch«, sagte Juan und blickte in den Himmel. Ich habe ihr Bild zerrissen, ich habe sie vor der Mutter verleugnet, ich habe die Mutter belogen und gesagt, ich liebte sie nicht. Ich bin ein schlechter Mensch, ein so schlechter Mensch, der sich an seiner Mutter versündigt …
    »Steh auf!« brüllte Pedro, und er ergriff Juan an der alten Jacke und riß ihn aus dem Gras empor, wie man einen Hund am Fell hinter den Ohren packt und emporhebt. »Was hast du mit der Mutter gehabt?« zischte er.
    »Nichts.«
    Da fühlte Juan, wie ihn sein Bruder schlug. Aber es tat nicht weh – er spürte nur den Druck der Schläge, und er wand sich unter ihnen und stieß Pedro mit beiden Fäusten vor die Brust.
    »Laß mich!« schrie er wild. »Laß mich, Pedro! Du schlägst mich ja tot! Pedro!« Er fiel wimmernd zur Erde und wand sich im Gras wie ein Wurm, den man zertreten hat. Jetzt erst fühlte er den Schmerz stechend durch den ganzen Körper ziehen, und er schrie auf, grell, tierisch, mit einer Kraft in der Stimme, die Pedro zusammenfahren ließ.
    »Steh auf!« herrschte er Juan an. »Laß das Schreien!«
    »Du schlägst mich wieder!« wimmerte Juan und blieb liegen.
    Da hob ihn Pedro wieder hoch und stellte ihn auf die Beine.
    »Nein! Ich schlage dich nicht mehr«, sagte er. »Aber du sollst wissen, daß ich dich hasse.«
    »Das weiß ich, Pedro. Du bist ein guter Bauer und ich nur ein fauler Esser. Du hast es so oft gesagt.« Juan wischte sich über den Mund und sah, daß sein Handrücken rot wurde. Er blutete aus dem Mund und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, um sein Blut abzulecken. »Soll ich fortgehen von euch?«
    »Fortgehen! Wohin denn?« Pedro war verblüfft über diese Rede und gab Juan sein Taschentuch, damit er das Gesicht abputzen konnte. »Solange die Mutter lebt, kannst du nicht weg. Sie würde uns um die Erde hetzen, um dich zu finden.«
    Juan blickte zu Boden und faltete die Hände.
    »Soll ich denn sterben?« fragte er leise.
    Ein Frieren kroch durch Pedros Körper. Er biß die Zähne aufeinander und erkannte plötzlich, daß dieser arme, geschlagene Mensch vor ihm, der Junge, der aus dem Mund blutete, sein Bruder war. Und es war sein

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