Vielleicht Verliebt
kommt’s: Bei dem Ruck ist plötzlich zwischen ihnen ein Konfettischnipsel auf den Boden geflittert. Aus völlig heiterem Himmel. Es war zwar kein ganzer Regen, aber immerhin dieses eine schimmernd blaue Tröpfchen.
Und nun ist die Frage aller Fragen, was das zu bedeuten hat.
Durch das offene Fenster weht ein Sommermorgenlufthauch mit Lavendelduft. Der Käfer krabbelt gemütlich quer durch den Parcours. Dort, wo sich die Origami-Frösche zu einem Gebirge türmen, durch das ein schmaler Tunnel führt, bremst er ab und zögert. Der Tunnel hat zwei Ausgänge, aber das kann der Käfer unmöglich sehen. Er zögert trotzdem. Und mitten in das Zögern hinein durchfährt Elisa ein hammermäßiger Blitzgedanke, die Idee, wie sie den Parcours perfekt machen kann!
Sie springt vom Boden auf, holt ihr Schatzkistchen aus dem Regal und tupft sich den blauen Joram-Konfettischnipsel auf ihren Mittelfinger. Vorsichtig legt sie ihn vor dem rechten Tunnelausgang auf den Boden.
»Danke, dass du gewartet hast!«, wispert sie dem Käfer zu. »Jetzt kannst du wieder.«
Der Käfer krabbelt wirklich sofort los und verschwindet unter den Fröschen. Elisa beobachtet die Tunnelausgänge. Ihr Herz rast. Wo wird der Käfer rauskommen? Rechts, beim Konfetti, dann ist sie verliebt. Links, dann ist sie nicht verliebt.
Ihre Augen wandern von Tunnelausgang zu Tunnelausgang.
Rechts?
Links?
Links?
Rechts?
Der Käfer lässt sich Zeit. Tock, tock, tock pocht Elisas Herz. Allerdings nicht mehr ganz so schnell wie vorhin.
»Du machst das genau richtig«, flüstert sie, »es ist nicht eilig, aber dafür superwichtig. Lass dir Zeit.« Sie checkt weiter die Tunnelausgänge. Rechts, links. Hin, her. Sie checkt den Tunnel ein gang. Nicht, dass der Käfer vorne wieder raustrippelt! Aber nichts. Nirgendwo.
Von draußen bollert es plötzlich an die Tür. Oh nein! Zwillingsalarm! Elisa hat vergessen, das rote Tuch um die Klinke zu binden, damit die Kleinen Bescheid wissen, dass sie nicht stören dürfen!
»Nicht reinkommen!«, ruft sie. Aber da drängeln sich Mai und Juni schon hopsend durch die Tür. Der Boden bebt und die Origami-Frösche rascheln bedrohlich im plötzlichen Durchzug.
»Uns ist langweilig«, sagen beide gleichzeitig. Das haben sie bestimmt vorher geübt.
Elisa starrt weiter auf die Tunnelausgänge. »Geht doch in den Kindergarten.«
»Der hat aber zu, du Dummi!«, sagt Juni empört. »Heute ist doch Samstag! Wir wollen, dass jetzt endlich das Umziehauto mit Tristan drin kommt und dass der seine ganzen Sachen hier reinträgt und dann sofort für immer bei uns wohnt und unser Stiervater ist.«
»Das heißt Stief vater«, verbessert Mai. »Und ich will das gar nicht. Mir ist bloß langweilig, weil du uns keine Papa-Paul-Geschichte erzählst.« Sie stürzt sich auf Elisa und versucht, sie in den Papa-Paul-Geschichten-Erzähl-Kopfstand umzudrehen.
»Nicht!« Elisa verliert das Gleichgewicht und das Froschgebirge aus den Augen. »Mann!« Sie schiebt Mai von sich weg. Sie hat jetzt definitiv keine Zeit, um sich für die Kleinen ein Supergeheimagentenabenteuer auszudenken. »Ich bin grad mitten in einem Experiment.«
Juni geht sofort auf alle viere runter und sucht den Parcours mit den Augen ab. »Wo ist denn der Käfer?«
»Weiß ich nicht genau. Der ist da unter die Frösche gekrabbelt.«
»Dürfen wir hierbleiben und warten, bis der wieder rauskommt?«
»Was willst du denn von dem Käfer wissen?«
»Erzählst du uns danach eine Geschichte?«
Ein Paar riesige olivfarbene Kulleraugen zwischen lockigen Springbrunnenzöpfen und ein Paar riesige olivfarbene Kulleraugen unter einem frisch selbst geschnittenen Raspelpony glänzen Elisa bittend an.
»Nein«, sagt sie streng. »Bei diesem Experiment muss ich allein sein. Und es ist geheim. Tschüss.« Sie schiebt Mai und Juni in Richtung Zimmertür.
»Dann soll aber jetzt wenigstens Tristan kommen!«, quengelt Juni.
»Er kommt im richtigen Moment«, tröstet Elisa, »weißt du doch.«
»Aber der richtige Moment soll jetzt sein!«
Elisa schiebt die beiden noch ein Stück in den Flur, dann drückt sie die Tür zu. Der oberste Frosch wird vom Luftzug ein Stück weggeweht. Es bollert noch mal gegen die Tür und Juni brüllt: »Du bist eine total doofe Elisa!« Dann patschen vier nackte Füße wütend über die Dielen davon und es ist still.
Elisa hockt sich auf den Boden, legt den Frosch zurück an seinen alten Platz und versucht, sich wieder auf das Experiment zu konzentrieren.
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