Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
Fotoapparaten, die urplötzlich in den Händen der Umstehenden erschienen waren. Heute bin ich froh, dass es damals noch kein Facebook gab. Diese Bilder wären bestimmt schon ins gemeinsame Gedächtnis des WWW übergegangen und dort bis über mein Lebensende hinaus beliebig abrufbar.
Ich wusste für einen Moment wirklich gar nicht, was ich tun sollte. Es war klar, dass ich Jane nicht erlauben konnte, mein Ding-a-Ling rauszukramen, andererseits wollte ich auch nicht einfach »Hör auf« rufen und etwas arg unbetrunken die Hose wieder schließen. In meiner Panik erinnerte ich mich an die Schulzeit und die Treppenstürze, mit denen ich oftmals meinen Angreifern entgangen war. Also rettete ich mich, indem ich eine Destabilisierung meines Standes durch die Bemühungen der arbeitswilligen Dame vor mir vortäuschte und eine doppelte Betrunkenen-Pirouette mit direkt folgendem Abprall an einer der Verandabalken dranhängte. Niemand achtete jedoch auf meine kunstvoll ausgeführte Buster-Keaton-Hommage, denn Marylin und Jane fanden das »Gelaber« vom Friedensrichter laaaangweilig und rannten nun einfach an ihm vorbei in die offen stehenden Gefängniszellen.
Bevor ihnen die gesamte aufgeheizte Meute folgen konnte und unser kleines County Jail gesprengt hätte, versperrte Willi geistesgegenwärtig den Zutritt mit seinem epischen Umfang. Innerhalb weniger Sekunden hing an jedem Fenster eine Traube Männer und drückte sich gegenseitig die Köpfe aus dem Weg.
Schnell war der kleine Raum auch angefüllt mit einem Blitzlichtgewitter wie das Strobo einer Bauerndisco. Ich sah flehentlich zum Sani-Peter hinüber, dessen Aufgabe es ja normalerweise war, mich zu dem Angeklagten in die Zelle zu sperren.
Bitte nicht, sagte mein Hundeblick. Doch der Sani-Peter blieb hart, packte mich entsprechend dem Ablauf am Kragen, riss mich in die Höhe und stopfte mich zu Marylin und Jane in die Zelle. Dabei grinste er.
Ich bemerkte, wie Long John in der anderen Zelle seinen Kinski kurz fallenließ, um mich ebenfalls subtil schadenfroh anzugrinsen. Das blieb wiederum dem Willi nicht verborgen, und er wies die beiden Peters an, Long John mit zu uns in die Zelle zu stecken. Ich hätte gegrinst, wenn ich nicht damit beschäftigt gewesen wäre, auf die obere Pritsche zu flüchten, was mir durch vier gefesselte Hände, die an meinem linken Hosenbein zupften, nahezu unmöglich gemacht wurde. Ich widerstand dem Impuls, nach unten zu treten, riss mich los und verkroch mich ins hinterste Eck.
Was nun folgte, war so unglaublich unwürdig, dass ich es hier kaum beschreiben kann, ohne mich unter den Schreibtisch zu schämen. Man stelle sich zwei gestandene Cowboys vor, die ansonsten täglich zweimal die Bank überfielen, sich standhaft prügelten, mit großer Geste herumballerten und den Rest der Zeit breitbeinig über die Mainstreet stapften, um möglichst markig auszusehen.
Diese zwei Herren waren innerhalb weniger Minuten so aufgelöst, so peinlich berührt, so »gschamig«, wie man in Bayern sagt, dass sie schreiend die Hände durch die Gitterstäbe reckten, um irgendwen dazu zu bewegen, sie wieder in die Freiheit zu entlassen.
Oder in die andere Zelle. Oder an den Galgen, aber bitte irgendwohin, wo nicht zwei angetrunkene Frauen in Handschellen an ihren Gürteln rissen, um ihnen die Hosen herunterzuziehen. Es war unfassbar.
Da hätt’s genug Leute gegeben, die gern mit euch getauscht hätten.
Vor dem Willi, den Peters, der versammelten Belegschaft und ihren Fotoapparaten? Ganz sicher nicht.
Mei, was stellt’s euch denn so an.
Heinz, ich bin schockiert.
Ja, bestimmt.
Da wir ja Profis waren, die den Worten ihres Chefs peinlichst genau Folge leisteten und auf keinen Fall in irgendeiner Form auch nur den Anschein von Grobheit vermitteln wollten, blieb uns nichts anderes übrig, als uns auf den Stockbettpritschen mit dem Rücken nach oben festzuklammern, während die zwei Frauen an uns herumrissen und versuchten, ihre nach wie vor gefesselten Hände zwischen die Pritsche und unsere Körper zu rammen. Das frenetische Gelächter der Zuschauer übertönte das ununterbrochene Klicken der damals noch analogen Fotoapparate und fand sein Crescendo, als Marylin es zusammen mit Jane geschafft hatte, Long John auf der unteren Pritsche umzudrehen. Innerhalb einer Achtelsekunde saß sie auf ihm und rieb sich mit durchgedrücktem Rücken an seiner Körpermitte wie ein Dackel am Hosenbein!
Ich hatte aber wahrlich keine Veranlassung zu lachen, denn schon
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