Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
so war ich hervorragend ausgestattet mit Zeichnungen, aufbereiteten Bildern von No Name City und Material von unserem mobilen Red Grizzly Saloon, in dem du ja später auch gearbeitet hast. Vor uns saßen jede Menge Leute in Anzug und Schlips, bereit, unserem Vortrag zu lauschen. Die Stimmung war höflich distanziert, so wie man das aus dem Norden eben kennt. Außerdem ging es hier um eine recht stattliche Summe, und da waren die Erwartungen entsprechend hoch.
Ich stellte uns also vor, die stellten sich vor, und wir legten los. Ich wuchtete tatkräftig meine Aktentasche auf den Tisch und wollte meinem Sohn die Unterlagen geben, damit er sie verteilen konnte. Leider hatte ich wohl ein bisschen zu viel unternehmerischen Schwung …
Nein.
Doch.
Anstatt der Unterlagen schoss natürlich direkt der Stapel mit den Strip-Fotos aus der Tasche und fächerte sich in der Mitte des Raumes direkt vor den Füßen des Gremiums so perfekt über die glatten Bodenfliesen wie bei einem Zauberkünstler kurz vorm Kartentrick. Ich sehe es heute noch vor mir. Perfekter hätte man sie auch für eine Ausstellung nicht drapieren können. Und man hatte von allen Plätzen wirklich einen perfekten, unverstellten Blick …
… auf die Zähne der Dame.
Unter anderem. Auf jeden Fall hat sich mein Sohn noch viel, viel mehr geschämt als ich.
War ja auch seine saublöde Idee.
So saublöd war die gar nicht, magst die Fotos mal sehen?
Gott bewahre. Wie ging es denn dann weiter?
Ja, wie wohl? Ich bin auf dem Boden herumgekrochen und hab die Bilder wieder aufgesammelt. Dazu hab ich irgendwas von »Geburtstag« und »Geschenk von meinen Kindern« gebrummelt, was die Situation im Nachhinein betrachtet vielleicht nicht gerade entspannt hat.
Keiner hat ein Wort gesagt, und mein Sohn Christian hat in der Zwischenzeit überlegt, ob er sich irgendwie eingraben, weglaufen oder mit dem Kugelschreiber selbst entleiben sollte.
Stattdessen stand er nur da und schaute seinem Vater zu, wie er großformatige Fotos von sich selbst und einer nackten Frau aufklaubte. Jeder, der schon mal versucht hat, ein Blatt Papier von glatten Bodenfliesen aufzuheben, weiß, dass das gar nicht so leicht geht. Vor allem, wenn man die Hochglanzfotos nicht betatschen will.
Als wär das jetzt wichtig gewesen!
Die waren schon super, die Fotos. Also qualitativ.
Klar.
Ich hab dann recht schnell aufgehört, das erklären zu wollen, und mich stattdessen auf die Präsentation konzentriert. Schließlich hatten wir ja einiges vor und wollten unter anderem einen großen Saloon bauen.
Anscheinend hat mir das eindrucksvolle Intro nicht geschadet, denn wir wurden uns dann tatsächlich einig, und der Saloon steht dort heute noch und soll demnächst ein zusätzliches Stockwerk bekommen. Bald hab ich wieder einen Termin im Hansapark.
Ich hätt’ da eine Idee. Wann hast du denn Geburtstag?
Ach, da nehm’ ich doch dann die alten Bilder, schau ich wenigstens jünger aus.
Ich denke mal, da schaut kaum einer auf dich.
Ich schon.
Kapitel 22: Die Schrotflinte
oder: »Poing, Poing«
Von Tommy Krappweis
Z weimal am Tag wurde die Bank überfallen. Zweimal am Tag hüllten wir No Name City in eine beißend stinkende Wolke. Denn zweimal am Tag wurde so viel Schwarzpulver verballert, dass man damit den Saloon hätte sprengen können.
Das war ehrlich gesagt ein ganz arg großer Spaß. Es ging schon damit los, dass man den ganzen Tag mit einem schweren Revolver an der Hüfte herumlief. Dein Gang ändert sich, deine Armhaltung passt sich notgedrungen an, und natürlich muss man den Quickdraw üben, also das schnelle Ziehen des Colts mit anschließendem Spannen des Hahns und Schuss. Idealerweise spannt man den Hahn schon beim Ziehen und drückt dann sofort ab, wenn der Lauf halbwegs dorthin zeigt, wo man hintreffen will. Wir hatten spezielle Colts, die zwar ähnlich schwer waren und auch von der Mechanik her weitestgehend identisch mit einer echten Waffe. Die Unterschiede lagen unter anderem darin, dass die Trommel nur kurze Platzpatronen aufnahm und der Lauf teilweise verplombt war. Trotzdem mussten wir den Lauf immer sauber halten, da der Feuerstoß ansonsten Kieselsteinchen und Ähnliches spuckte. Auch damit konnte man Kollegen wie Zuschauer unter Umständen gefährlich verletzen.
Zudem waren die Waffen nicht für den Dauergebrauch bestimmt, und wir schändeten die Dinger schon arg. Nicht nur, dass wir täglich Dutzende Schüsse hindurchjagten, sondern die Colts wurden in der Show fallen
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