Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
Zähnen und einem Kieferbruch.
Das nur, wenn er mich beim Kaffee stört.
Kapitel 19: Kannst du auch reiten, Cowboy?
Oder: Klischee & Klischee gesellt sich gern
Von Tommy Krappweis
M änner erzählen es sich an den Lagerfeuern, an den Bartheken und in der Warteschlange der Kantinen: das Märchen von den unglücklich verheirateten Frauen mit Kind, die einfach nur mal richtig geknattert werden wollen. Also keine Liebe, keine Beziehung, kein Viertausend-Wörter-Download jeden Abend – einfach nur Wham Bam Thank You Ma’m und vielleicht noch ein Zehner fürs Taxi.
Irgendwer kennt immer jemanden, der jemanden kennt, der dieses Klischee schon mal selbst erlebt hat. Und je größer der Drang beim Mann auf die Drüsen drückt, desto mehr vermeintlich willige Damen laufen einem durch das Terminator-Display, in dem alle Maße, das Verhältnis Taille zu Po und individuelle Übereinstimmungen mit dem persönlichen Suchmuster in Prozent direkt auf die Iris projiziert werden. Wird der testosterongeplagte Mann einer solchen Frau von weitem ansichtig, stupst er den Kumpel mit dem Ellbogen an und raunt unter heftigem Schnaufen: »Die … die is’ so eine. Sieht man sofort. Die ist voll frustriert, ich schwör. Jede Wette, dass die loslegt wie eine Splittergranate, meine Fresse. Muss man nur ›Hallo‹ sagen, und schon geht die ab. Jetz’ echt.«
Seltsam nur, dass auch die angeblich hundertprozentige Willigkeit des fernbehechelten Lustobjekts so gut wie nie zum Versuch einer Kontaktaufnahme führt. Denn passiert nun diese Dame die beiden Lustlümmel und nimmt dabei so gar keine Notiz von den zwei designierten Deckhengsten, wird eine interessante Neubewertung vorgenommen, sobald sie außer Hörweite ist. »Okay, von nahem siehst du gleich, die is’ mehr so der Typ ›erst mal quatschen und dann achtzig Stunden Vorspiel‹ … Boah, nee, hab ich ja gar kein Bock drauf, bloß gut, dass ich das grad noch gesehen hab.«
Kurz gesagt: Das Klischee von der jungen, willigen, sexy Familienmutti, die sich einfach mal gerne den Frust von der Seele rattern lassen würde, ist eben genau das. Ein Klischee.
Auf der anderen Seite gibt es auch kaum etwas Klischeehafteres als bankraubgestählte Stuntmen in patinierten Cowboyklamotten, die cool an der Front Porch lehnen und jede Dame mit einem lässigen Tipp des Zeigefingers an die Hutkrempe grüßen.
Für so was hab ich euch aber nicht bezahlt, und das wusstet ihr ganz genau.
Das haben wir sehr, sehr gerne ganz umsonst gemacht, Heinz.
Schon klar.
Offensichtlich war nämlich das eine Klischee dazu geschaffen, das jeweils andere Klischee massiv zu begünstigen und umgekehrt. Außerdem verfügten diese groschenromanhaften Begehrlichkeiten beider Geschlechter über eine aufgeladene Anziehungskraft, die jeden Elektromagneten beschämte. Hätte man eine technische Lösung parat gehabt, um die knisternde Libido in Leitungen abzuzapfen und bei den Stadtwerken einzuspeisen, wäre No Name City niemals pleitegegangen, und es gäbe längst keine Atomkraftwerke mehr, sondern nur noch Westernstädte.
Jetzt kommst aber gerade sauber in den Schmarrn rein.
Die größten Erfindungen sind entstanden, weil sich jemand getraut hat, eine verrückte Idee ganz zu Ende zu denken!
Ist ja gut, jetzt setz dich wieder hin.
Zugegeben, so wunderbar diese Utopie auch anmuten mag, so unmöglich ist es leider, diese Energiemassen in irgendetwas anderes umzusetzen als ein wenig Reibung und jede Menge schlechtes Gewissen. Nun gut, das schlechte Gewissen beließ man meist auf Seiten der Damen, die sich dann mit leicht entrücktem Blick zurück an den Tisch setzten, um sich dort von ihren lauthals prostenden Ehemännern weiter ignorieren zu lassen. Auch dieses Klischee traf so gut wie immer zu, was natürlich daran lag, dass die glücklichen Frauen kaum auf die Idee kamen, mit einem staubigen Stuntman anzubandeln.
Austragungsorte derartiger Zweckzusammenkünfte fanden sich bevorzugt nachts – und somit nur an den Wochenenden – hinter dem Wall am Zaun. Aber auch in der kleinen, staubigen Hütte voller Holzreste und Biergartenmöbel schräg hinter dem Saloon ließ es sich halbwegs ungestört poussieren. Waren diese Orte mal besetzt oder im Fokus der patrouillierenden Hilfssheriffs, wich man zwangsläufig auf exotischere Plätze aus. Das konnte dann schon auch mal der Kinderspielplatz sein, der wie ein Fort gestaltet war und darum über einen weitestgehend fensterlosen Holzturm verfügte. Aber auch das Dach
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