Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
würde –, dass seine Freunde seine Wunschbiografie schon auswendig aufsagen konnten. Fernando und Mauricio standen für diese Zeitverschwendung allerdings nicht zur Verfügung; dafür übernahm Ruso begeistert alle Rollen: Agent, Masseur, Platzwart, Medienberater, je nachdem, mit welcher Laune er aufgewacht war.
Zum Leidwesen von Mono und Ruso wurde Mono mit zwanzig ins Sekretariat von Vélez Sarsfield bestellt, wo man ihm mitteilte, dass er den Club verlassen könne. Diese Möglichkeit hatte Mono trotz all der Verben im Futur nie in Betracht gezogen.
Er wurde auf die Transferliste gesetzt, damit er seine vielversprechende Karriere bei einem anderen Club fortsetzen konnte. Man wünschte ihm viel Glück und bat ihn, den nächsten der sieben Jungs reinzurufen, die sein Schicksal teilten.
5
»Das da ist er«, sagt Ruso und zeigt auf einen dünnen, eher kleinen Mann mit blonden Haaren und großen Zähnen, der gerade um die Ecke gebogen ist und in beiden Händen eine Einkaufstüte trägt. Der »Polaco« Salvatierra, den sie da sehen, lässt sich nur schwer mit dem Polaco von früher in Einklang bringen, als er prima im Geschäft war und regelmäßig in der Regenbogenpresse und im Klatschfernsehen auftauchte. Oder vielmehr gar nicht in Einklang bringen, trotz dieser rebellischen Zähne und der nach wie vor strahlend blauen Augen. Es ist vor allem seine Haltung, die sich verändert hat. Er wirkt matter, kleiner. Ruso bemerkt Salvatierras Überraschung, als sie wie bei einer konzertierten Aktion alle gleichzeitig aus dem Fiat Duna steigen und sich ihm in den Weg stellen.
»Hallo, Polaco«, sagen sie wortkarg. Sie haben sich vorgenommen, ihn von Anfang an spüren zu lassen, wie sauer sie sind. Schließlich kam das Geschäft, das Mono in den Ruin gestürzt hat, auf Salvatierras Empfehlung hin zustande. Salvatierra scheint keine Notiz davon zu nehmen. Entweder sind ihm die Reflexe abhandengekommen oder er hat sich im Gefängnis eine so dicke Haut zugelegt, dass ihn solche Spitzfindigkeiten kaltlassen. Er deutet nur mit dem Kopf in die Richtung, in der seine Mutter wohnt, und fordert sie auf, ihn zu begleiten.
»Wir können uns auch am Bahnhof ein Café suchen«, sagt Fernando.
Salvatierra schaut zu den Einkaufstüten hinunter. »Mangold. Meine Mutter wartet schon.«
»Dauert nicht lang«, sagt Mauricio kalt.
Sie gehen ein Stück. Plötzlich bleibt Salvatierra stehen und stellt die Tüten ab.
»Was wollt ihr von mir?«, fragt er. Offenbar ist ihm doch bewusst, dass bisher alles nur Geplänkel war. »Mono kam vor drei Jahren zu mir und wollte –«
»Das wissen wir«, unterbricht ihn Mauricio.
»Tja, damals wollte ich es noch mal reißen und hatte einige Talente an der Hand. Also sind wir ins Gespräch gekommen.« Salvatierra deutet auf Ruso, als wäre er damals Zeuge gewesen. »Und da hab ich ihm eben diesen Pittilanga angeboten.«
»Ja, Pittilanga und noch einen«, fügt Fernando hinzu.
»Genau. Pittilanga und Suárez. Aber mein bestes Pferd im Stall war Pittilanga. Suárez hat die Fußballschuhe inzwischen an den Nagel gehängt.«
»Stimmt. Im Gegensatz zu Pittilanga. Der hat nicht mit dem Fußball Schluss gemacht, sondern der Fußball mit ihm«, erwidert Fernando bitter.
»Ist vielleicht nicht seine beste Phase.«
»›Nicht seine beste Phase‹?«, attackiert Mauricio. »Willst du uns für dumm verkaufen? Er ist an einen Provinzclub ausgeliehen, an Atlético Mitre aus Santiago del Estero! Du hast Mono einen Spieler verkauft, der …!«
»Nicht verkauft, empfohlen.«
»Willst du uns verarschen, oder was? Dieser Pittilanga spielt bei einem Club, der in der dritten Liga rumkrebst! Nicht erste Liga, nicht zweite Liga, nein: in der tiefsten Provinz, bei Santiago del Estero!«
»Also, innerhalb der Provinz …«, will Salvatierra besänftigen, und Ruso ist durchaus geneigt, wie bei allem auch hier die gute Seite zu sehen, aber da rastet Fernando erst so richtig aus.
»Wie kriegen wir deiner Meinung nach die Kohle wieder, he? Du bist schuld, dass mein Bruder dreihunderttausend Dollar für einen Rumpelfüßler ausgibt, der keine zwei Pesos wert ist. Und jetzt ist mein Bruder tot und das Geld ist futsch. Und wer hat ihm das eingebrockt? Du!«
»Ich hab niemandem was eingebrockt! Niemand hat deinen Bruder gezwungen, Pittilanga zu kaufen!«
»Ach nein?«
»Nein! Er hat ihn gekauft, weil er das wollte!«
»Aber du hast ihm die Pfeife empfohlen!«
»Weil ich selber dachte, es wird ein Bombengeschäft!«
»Was
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