Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
zu. Der Kellner bringt den Kaffee, und Ruso stürzt sich auf die kleinen Maismehlkekse, die dazu serviert werden. Das Schweigen hält nun schon eine Minute an.
Endlich legt Mauricio das Handy weg. »Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass wir da noch viel tun können.«
Wenn Blicke Feuer entfachen könnten, wäre Mauricio nur noch ein Häufchen Asche, denkt Ruso.
»Und wieso glaubst du, dass wir da nicht mehr viel tun können?«, fragt Fernando in einem Tonfall, der sich gefährlich in Richtung Sarkasmus bewegt.
»Weil Pittilanga nichts taugt und weil wir garantiert keinen Idioten finden, der dreihunderttausend Dollar für ihn bezahlt. Abgesehen davon, dass wir von diesem Business nicht die leiseste Ahnung haben.«
Fernando antwortet nicht gleich, aber Ruso weiß, dass er sich nur zum Schein geschlagen gibt.
»Und nun?«, fragt er schließlich tatsächlich.
»Nichts.«
»Nichts? Du weißt doch, was passiert, wenn die Kohle weg ist.«
»Lass uns gar nicht erst damit anfangen.«
»Nicht damit anfangen? Wir reden hier von dem Geld, das für Guadalupe bestimmt ist. Wenn es futsch ist, ist die Kleine die Gelackmeierte, dann sind wir alle die Gelackmeierten. Dann sehen wir das Mädchen nie wieder.«
»Deine Mutter hat doch ihre Besuchszeiten.«
»Einen Scheiß hat sie. Du hast es damals selbst gesagt: Das Urteil ist die reinste Schikane.«
»Entschuldige, aber wo lebst du eigentlich? Im Wolkenkuckucksheim? Wer hatte denn die Schnapsidee, die ganze Kohle in einen Fußballspieler zu stecken?«
»Das kann ich dir ganz genau sagen: ein alter Freund von dir. Und Vollidiot.«
»Deine Ironie kannst du dir sparen. Ich find’s ja auch zum Kotzen, wie alles gekommen ist.«
»So richtig besorgt siehst du mir aber nicht aus.«
»Ach ja? Hast du ein Thermometer, mit dem du die Sorgen anderer messen kannst? Oder bist du Hellseher?«
»Nein, aber du machst es dir ein bisschen einfach: › Da können wir nichts mehr tun. ‹ Aus, Schluss, Feierabend.«
»Wenn du so ein kluges Kerlchen bist, dann hast du ja bestimmt eine Idee.« Mauricio breitet einladend die Arme aus. »Na los, Fernando, erleuchte uns. Sag uns, was wir tun sollen.«
»Ich weiß es auch nicht.«
»Aber dass wir etwas tun müssen, dass wir nicht einfach › mit verschränkten Armen dasitzen dürfen ‹ , das weißt du, ja?«
»Wer ist hier ironisch: du oder ich?«
»Hörst du dir eigentlich mal selber zu? Du hast keinen blassen Schimmer, WAS wir tun können, aber du bist dir sicher, DASS wir was tun können. Lächerlich!«
»Nicht so lächerlich, wie uns geschlagen zu geben.«
» › Uns geschlagen zu geben ‹ ! Seit wann redest du wie Charles Ingalls aus Unsere kleine Farm ? Ist hier vielleicht irgendwo eine versteckte Kamera, die deine Heldentaten aufzeichnet?«
»Ist ja gut, Mauri.« Ruso hat jetzt wirklich Angst, dass das Gespräch aus dem Ruder laufen könnte.
»Gar nichts ist gut, verdammt!«, sagt Mauricio, der kurz vorm Explodieren ist, und zeigt auf Fernando. »Dieser schwachsinnige Optimismus und dieser schwachsinnige Voluntarismus von diesem Kerl da machen mich noch wahnsinnig!«
»Voluntarismus?«
»Ja, Voluntarismus! Oder ist dir ein anderer › ismus ‹ lieber? Wie wär’s mit Altruismus? Du spielst doch so gern den Menschenfreund!«
»Ich spiele nicht –«
»Nein!«, schreit Mauricio und rutscht auf seinem Stuhl hin und her. »Natürlich nicht! Du SPIELST nicht den Menschenfreund! Du bist überzeugt, dass du einer bist! Bestimmt kannst du nachts nicht schlafen, wenn du mal keine gute Tat begangen hast. Hab ich Recht? Sehr löblich, Fernando, wirklich sehr löblich. Hilfst alten Damen über die Straße, überlässt Schwangeren den Sitzplatz, hältst am Zebrastreifen an. Du und dein Pfadfinderkomplex. Ich kann’s nicht mehr hören.«
Sie sind aufgestanden, brüllen sich über den Tisch hinweg an. Ruso wäre am liebsten im Erdboden versunken. Die anderen Gäste sind verstummt und starren zu ihnen herüber.
»Weißt du, was du für einer bist, Fernando? Soll ich’s dir sagen? Ich hab’s erst neulich wieder gedacht.«
»Schön, dass du so oft an mich denkst.«
»Als ich mich mit Mariel unterhalten hab.«
»Ach so? Deine Frau hat sich ebenfalls an der Debatte beteiligt? Fantastisch. Das war ja geradezu ein wissenschaftliches Symposium!«
Mauricio sieht Fernando an, als wollte er ihn ungespitzt in den Boden rammen. Stattdessen fährt er fort: »Du bist nur deshalb so optimistisch, weil du so zwanghaft bist. Oder umgekehrt.
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