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Vier moralische Schriften

Vier moralische Schriften

Titel: Vier moralische Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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heraus-gebildet.
    1. Die Atomwaffen haben alle davon überzeugt, daß ein ato-marer Konflikt keine Sieger, sondern nur einen einzigen Verlierer hätte: den Planeten. Doch wenn man in einer ersten Phase erkannt hatte, daß ein Atomkrieg die Bewohnbarkeit des Planeten zerstören würde, hat man sich später davon überzeugt, daß jeder Krieg gegen die Bewohnbarkeit des Planeten ein Atomkrieg ist und daß letztlich jeder Krieg heutzutage nicht anders als gegen die Bewohnbarkeit des Planeten gerichtet sein kann. Wer die Atombombe wirft (oder das Meer verseucht), erklärt den Krieg nicht nur allen Neutralen, sondern der ganzen Erde.
    2. Krieg verläuft heute nicht mehr zwischen zwei klar getrenn-ten Fronten. Dem Skandal der Anwesenheit amerikanischer Journalisten in Bagdad entspricht die ebenso skandalöse, dabei zahlenmäßig noch viel größere Anwesenheit von Millionen proirakischer Muslime in den Ländern der antiirakischen Allianz. In den Kriegen früherer Zeiten wurden die potentiellen Feinde im Lande interniert (oder massakriert), und ein Lands-mann der vom feindlichen Territorium aus über die guten Gründe des Gegners sprach, wurde am Ende des Krieges
    gehängt. Aufgrund der Natur des multinationalen Kapitalismus kann der Krieg aber heute nicht mehr frontal sein. Daß der Irak von den westlichen Industrien bewaffnet wurde, ist kein Zufall.
    Es entspricht der Logik des reifen Kapitalismus, der sich der 13
    Kontrolle der Einzelstaaten entzieht. Wenn die amerikanische Regierung findet, daß die Fernsehgesellschaften das Spiel des Feindes spielen, glaubt sie noch, sie habe es mit einem Komplott prokommunistischer Eierköpfe zu tun; in symmetrischer
    Entsprechung bilden die Fernsehgesellschaften sich ein, sie verkörperten die heroische Figur Humphrey Bogarts, der den Gangster am Telefon das Rattern der Rotationspressen hören läßt und dazu sagt: »Das ist die Presse, mein Guter, die kannst du nicht stoppen.« Es ist die Logik der Nachrichtenindustrie, Nachrichten zu verkaufen, möglichst dramatische Nachrichten.
    Nicht, daß die Medien sich weigerten, die Kriegstrompete zu blasen: Sie sind bloß einfach ein Rollenklavier, das eine Musik abspielt, die ihm vorher auf die Rolle gespielt worden ist. So hat im Krieg heute jeder den Feind im eigenen Hinterland – ein Zustand, den kein Clausewitz je hätte hinnehmen können.
    3. Auch wenn die Medien zum Schweigen gebracht wären,
    ermöglichen die neuen Kommunikationstechnologien einen unaufhaltsamen Informationsfluß – und nicht einmal ein Diktator kann sie blockieren, da sie sich elementarer technischer Infrastrukturen bedienen, auf die auch er nicht verzichten kann.
    Dieser Informationsfluß erfüllt die Funktion, die in den traditio-nellen Kriegen die Geheimdienste hatten: er neutralisiert jede Überraschungsaktion – und Krieg ist unmöglich, wenn man den Gegner nicht überraschen kann. Der Krieg produziert ein verallgemeinertes Einverständnis mit dem Feind. Aber die Information macht noch mehr: sie erteilt dem Gegner ständig das Wort (während das Ziel jeder Kriegspolitik darin besteht, die gegnerische Propaganda zu blockieren), und sie demorali-siert die Bürger der kriegführenden Parteien in ihrem Verhältnis zur eigenen Regierung (während, wie Clausewitz hervorhob, die Bedingung des Sieges der moralische Zusammenhalt aller Kombattanten ist). Jeder Krieg der Vergangenheit basierte auf dem Prinzip, daß die Bürger im Glauben, er sei ein gerechter Krieg, den Feind zu vernichten trachteten. Heute dagegen bringt 14
    die Information nicht nur den Glauben der Bürger ins Wanken, sondern macht sie auch empfindlich für den Tod der Feinde –
    der kein fernes, undeutliches Ereignis mehr ist. sondern eine unerträgliche visuelle Evidenz.
    4. All dies wirkt mit dem Umstand zusammen, daß die Macht heutzutage, ich erinnere an Foucault, nicht mehr monolithisch und monokratisch ist, sondern diffus, parzelliert, Ergebnis permanenter Zusammenballungen und Zersetzungen von
    Konsensprozessen. Der Krieg stellt nicht mehr zwei Vaterländer frontal gegenüber. Er bringt unendlich viele Mächte in Konkurrenz zueinander. In diesem Spiel tun sich einzelne Machtzentren als Profiteure hervor, aber auf Kosten der anderen. Wenn der alte Krieg die Kanonenhändler dick werden ließ und ihr Profit den vorübergehenden Stillstand einiger kommerzieller Tausch-prozesse in den Hintergrund drängte, so stürzt der neue Krieg, wenn er die Kanonenhändler reich macht, eine Vielzahl von

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