Vier Morde und ein Hochzeitsfest
»Warum hast du den Kerl noch nicht hergebracht?«
»Ich bin schon dabei.«
»Genau. Und es liegt nicht an ihr«, verteidigte mich Lula. »Weil er nämlich hundsgemein ist.«
»Du hast bis acht Uhr Montagmorgen Zeit«, sagte Vinnie. »Wenn du den Saftarsch von Briggs nicht bis Montagmorgen im Knast abgeliefert hast, werde ich den Fall jemand anderem übergeben.«
»Da fällt mir ein, Vinnie: Kennst du einen Buchmacher mit Namen Bunchy?«
»Nein. Und glaub mir: Ich kenne jeden Buchmacher an der Ostküste.« Er verzog sich wieder in sein Büro und knallte die Tür zu.
»Tränengas«, schlug Lula vor. »Damit kriegen wir ihn. Wir schmeißen einfach eine Tränengaspatrone durch sein blödes Fenster und warten ab, bis er hustend und keuchend rausgerannt kommt. Ich weiß auch schon, wo wir uns das Zeug besorgen. Wetten, dass uns Ranger was beschaffen könnte.«
»Nein! Kein Tränengas«, sagte ich.
»Was willst du sonst machen? Willst du, dass Vinnie den Fall Joyce Barnhardt übergibt?«
Joyce Barnhardt! Ach, du Scheiße. Lieber fresse ich Dreck, als dass Joyce Barnhardt Randy Briggs einliefert. Joyce Barnhardt ist gaga, und sie ist meine erklärte Lieblingsfeindin. Vinnie hatte sie vor einigen Monaten für Gegenleistungen, über die ich lieber nicht spekulieren will, als Aushilfskopfgeldjägerin engagiert. Damals hatte sie versucht, mir einen meiner Fälle wegzuschnappen, und ich wollte um alles in der Welt vermeiden, dass sich das wiederholte.
Ich bin mit Joyce zur Schule gegangen, und während der ganzen Schulzeit hat sie gelogen und geklaut und sich mit den Freunden von anderen Mädchen vergnügt. Ganz zu schweigen davon, dass ich sie ein knappes Jahr nach der Hochzeit zusammen mit meinem schwitzenden, untreuen Ex-Mann auf meinem Esstisch erwischt hatte, er unten, sie oben.
»Ich werde es bei Briggs mal mit etwas Vernunft versuchen«, sagte ich.
»Ach, du Schreck«, wiederholte Lula. »Da bin ich aber gespannt. Das will ich mir nicht entgehen lassen.«
»Ich gehe alleine hin. Ich werde alleine damit fertig.«
»Natürlich«, sagte Lula. »Ich weiß. Aber es macht doch mehr Spaß, wenn ich dabei bin.«
»Nein! Nein, nein, nein.«
»Mann, oh Mann, du bist wirklich übel drauf in letzter Zeit«, sagte Lula. »Als du noch Männer abgekriegt hast, warst du besser gelaunt. Du weißt, was ich meine. Ich verstehe sowieso nicht, wieso du Morelli vor die Tür gesetzt hast. Eigentlich mag ich Bullen nicht sonderlich, aber der hatte einen knackigen Arsch.«
Ich wusste, was sie meinte. Ich war einfach extrem gereizt. Ich nahm meine Umhängetasche und verabschiedete mich. »Ich rufe an, wenn ich Hilfe brauche.«
»Hm«, sagte Lula.
Es herrschte Ruhe in den Cloverleaf Apartments. Kein Verkehr auf dem Parkplatz. Keine Leute in dem düsteren Foyer. Ich ging die Treppe hoch und klopfte an Briggs’ Tür. Keine Antwort. Ich trat ein paar Schritte zurück, außer Sicht, und wählte seine Nummer auf meinem Handy.
»Hallo?«, sagte Briggs.
»Hier ist Stephanie. Legen Sie nicht gleich auf! Ich muss mit Ihnen reden.«
»Es gibt nichts zu reden. Ich bin beschäftigt. Ich muss arbeiten.«
»Ich weiß ja, dass Ihnen der Gerichtstermin ungelegen kommt. Und ich weiß auch, dass das Ganze eigentlich nicht fair ist, weil die Vorwürfe gegen Sie ungerechtfertigt sind. Aber Sie müssen nun mal darauf reagieren.«
»Nein.«
»Dann tun Sie es mir zuliebe.«
»Wieso sollte ich es Ihnen zuliebe tun?«
»Weil ich ein netter Mensch bin. Und weil ich nur versuche, meine Pflicht zu tun. Und weil ich das Geld für ein Paar Schuhe brauche, die ich gerade gekauft habe. Und besonders, weil Vinnie den Fall Joyce Barnhardt übergibt, wenn ich Sie nicht abliefere. Und Joyce Barnhardt kann ich nicht ausstehen.«
»Was haben Sie gegen Joyce Barnhardt?«
»Ich habe sie dabei erwischt, wie sie es mit meinem Mann, der jetzt mein Ex-Mann ist, auf dem Esstisch getrieben hat. Stellen Sie sich vor: auf meinem Esszimmertisch!«
»Meine Güte!«, sagte Briggs. »Und sie ist auch Kopfgeldjägerin?«
»Früher war sie Änderungsschneiderin bei Macy’s, aber jetzt arbeitet sie für Vinnie.
»Pech gehabt.«
»Ja. Also, wie war’s? Darf ich Sie abliefern? Es ist nicht so schlimm. Ehrlich.«
»Soll das ein Witz sein? Ich lass mich doch nicht von so einem Versager wie Ihnen abliefern. Wie würde das denn aussehen?«
Klick.
Er hatte aufgelegt.
Wie bitte? Versager? Das reichte. Ab jetzt würde ich andere Seiten aufziehen. Nicht mehr die nette Tour.
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