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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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bereits unerträglich. Abgestanden, schwer und voller Schweiß. Wie es eben roch, wenn elf Männer in der Wüste auf wenigen Metern eingesperrt waren. Dass wir wie die Ölsardinen zusammengepfercht saßen, fand ich nicht schlimm, im Gegenteil. Ein beruhigendes Gefühl, einen Kameraden so dicht neben mir zu haben. Wenn etwas passierte, waren wir zusammen, das gab Kraft. Wir waren so bereits in der Ausbildung gefahren. Mit elf Mann im Kampfraum, der eigentlich nur sechs Sitzplätze hatte. Aber jetzt war es anders. Es ging los, wir fuhren »raus«, zum ersten Mal. Wir kannten unseren Auftrag und wussten doch nicht, was uns erwarten würde.
    Eben noch hatten sich alle unterhalten. Es gab Sprüche, Witze, Lachen. Da hatte der Transportpanzer noch im Feldlager gestanden. Jetzt rollte er unserem Ziel entgegen und keiner sagte ein Wort. Muli, Nossi, Simbo, Kruschka, Wizo, Jonny, Russo, Butch, Dolli, Mica, TJ, Hardy und ich. Dreizehn Männer. Die Gruppe war noch mal in zwei Trupps unterteilt. Muli führte den einen, Nossi den anderen. Mulis Trupp, dem auch ich angehörte, hatte eigentlich einen eigenen Dingo. Aber jetzt ging es darum, viele Männer für die Patrouille zur Verfügung zu haben. Manpower. Der Dingo hätte noch zusätzlich einen Fahrer gekostet, der beim Fahrzeug hätte bleiben müssen. Also saßen wir alle in dem stickigen Transportpanzer, dessen alte Klimaanlage fast nutzlos war. Inzwischen mussten wir ungefähr an der Stadtgrenze sein. Dort, wo der Weg vom Plateau herunter, auf dem sich das Feldlager befand, auf einen afghanischen Armeeposten an der Hauptstraße traf. Nossi und Russo kamen nach unten und schlossen die Luken über sich. Das war so abgesprochen, weil wir verhindern wollten, dass jemand etwas von oben hereinwarf, wenn wir am Zielpunkt ankamen. Da musste alles schnell gehen. Absitzen, Umgebung sichern, Ausrüstung aufnehmen, abmarschieren.
    Die wissen sowieso, dass wir kommen, war uns erklärt worden. Die haben ihre Spitzel überall. Aber wenn wir schnell genug sind, haben wir vielleicht etwas Zeit gewonnen, bevor sie sich organisieren können. Die haben auch Handys und Ferngläser. Das hatte man uns gesagt. Also blieb uns nur, schnell zu handeln. So wie wir es unzählige Male geübt hatten.
    Ich spürte, wie der Helm bereits jetzt auf meinem Kopf herumrutschte, weil ich so sehr schwitzte. Ich griff nach der kleinen Wasserflasche, die ich in meine linke Beintasche gesteckt hatte, und nahm einen großen Schluck von dem lauwarmen Wasser. Ich hielt Mica die Flasche hin, der mir gegenüber saß. Er nahm sie mit einem teilnahmslosen Ausdruck und trank. Er hatte kaum reagiert. Ich sah in die Gesichter der anderen und bemerkte ihre gesenkten Blicke. Selbst Jonny, der so voller Vorfreude unserem ersten Einsatz entgegengefiebert hatte, wirkte seltsam entrückt. Allen war jetzt klar, dass es ernst wurde. Wir waren nicht mehr in der Ausbildung. Es würde keinen zweiten Versuch geben, wenn wir es verbockten. Kein Ausbilder in der Kaserne und auf dem Übungsplatz würde uns mehr anbrüllen: Macht das noch mal! Kein Kommandeur würde uns mehr antreten lassen und sagen: Männer, ihr seid Fallschirmjäger und werdet das meistern, was auf euch zukommt! Ab jetzt würde nichts mehr auf uns zukommen, ab jetzt waren wir mittendrin.
    Genau diese Anspannung spürte ich um mich herum. Die anderen waren still, und doch spürte ich, dass jeder seinen persönlichen Kampf mit dieser Situation ausfocht. Das bereitete mir Unbehagen.
    Ich wollte die Situation, diese gespenstische Atmosphäre nicht hilflos hinnehmen. Der Panzer rumpelte mit einem leise brummenden Geräusch weiter und bei jeder Bodenwelle schaukelten wir ein wenig hin und her. Nach einigem Nachdenken beschloss ich, etwas zu tun, das die anderen so überraschen würde, dass sie ihre bedrückenden Gedanken vergessen und voll bei mir sein würden.
    T minus fünf Minuten, war durch den Lautsprecher zu hören.
    TJ, der den Transportpanzer fuhr, hatte die verbliebene Zeit bis zur Ankunft am Ziel durchgegeben. Niemand rührte sich, ich blickte in versteinerte Gesichter. In diesem Moment war klar, dass ich handeln musste. Ich holte tief Luft.
    Ey, hört mal.
    Ich sprach so laut ich konnte, ohne dass ich schrie. Jeder sollte mich hören können.
    Wusstet ihr, dass ich mein erstes Mal mit einem Mann hatte?
    Zehn Augenpaare, die zuvor stumpf vor sich hingestarrt hatten, sahen mich mit einer Mischung aus Erstaunen und Unverständnis an. Ich konnte förmlich zusehen, wie die

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