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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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Funkgerät fort. Abmarsch in befohlener Reihenfolge, Ende.
    Golf eins marsch, befahl Muli.
    Mit dem Gewehr in der Hand folgte ich den beiden Scharfschützen aus der Vorgängereinheit.
    Hinter uns setzte sich der Rest langsam in Bewegung, immer ein wenig Abstand zum Vordermann haltend. Dies war eine der Verhaltensweisen, die uns als Infanteristen inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen war. Bei Beschuss oder einer Explosion wurden so wenigstens nicht alle auf einmal getroffen.
    Bald tat sich vor uns eine flache Senke auf. Rechts vom Weg setzte sich immer noch die hohe Mauer fort, bis sie schließlich von ein paar einfachen Lehmgebäuden abgelöst wurde. Es schienen Ställe und Schuppen zu sein, vielleicht wohnten auch Menschen darin. So genau konnte ich das nicht sagen, denn sie waren alle grob errichtet, und die wenigen Fensteröffnungen, die die Mauern aus Lehm durchbrachen, ließen keinen Blick ins Innere zu. Die Felder auf der linken Seite und die Ausläufer des Vorortes auf der Rechten, die vielen flachen Büsche und der sanft gewundene Weg vor uns erzeugten ein fast idyllisches Bild. Wie in einem Karl-May-Film. Ich ließ den Blick schweifen und versuchte, das Wesentliche zu erfassen. Menschen waren keine zu sehen. Gab es eine Gefahrenquelle, einen Ort, den ich besonders beobachten musste? Wo war die nächstbeste Deckungsmöglichkeit? Was befand sich im Graben direkt links vom Weg? Ich spürte, wie es mich anstrengte, alle Informationen im Kopf zu verarbeiten. Während ich in Deutschland wusste, dass ich auf dem Truppenübungsplatz nichts Überraschendes zu erwarten hatte, war hier die Möglichkeit allgegenwärtig, auf etwas Unvorhergesehenes, Gefährliches zu stoßen.
    Die Sonne stand hoch am wolkenlosen Himmel, kein Windhauch war zu spüren, kein Laut zu hören. Nur das stapfende Geräusch unserer Stiefel auf dem Sandboden und das Klicken, wenn irgendjemand auf einen Stein trat, durchbrach die Stille. Ein paar hundert Meter den Weg hinunter waren einige Häuser zu erkennen. Ein paar Büsche rahmten die kleine Siedlung ein, und der Weg wurde am ersten Haus von einer kleinen Betonbrücke unterbrochen, die nur wenige Meter lang war. Als wir auf dieses Dorf zusteuerten, sah ich rechts zwei Männer in einem Hof arbeiten, der von einer kleinen Mauer umgeben war. Sie schienen mit einer hölzernen Mistgabel irgendetwas in große Säcke zu füllen. Sie trugen lange, weiße Gewänder und darüber dunkle Westen.
    Als ich die Männer hinter mir ließ, trat ich aus dem letzten Schatten heraus, der den Weg zumindest teilweise bedeckt hatte. Die Sonne stach glühend heiß und unbarmherzig von oben, es gab keinen Schutz. Ich wischte mir mit dem Handrücken durch das Gesicht, sofort war mein Handschuh durchnässt. Die Schweißperlen liefen mir am Hals entlang ins Shirt, und mein Pistolenholster scheuerte am Oberschenkel. Die Schutzweste rutschte auf einer Lache aus Schweiß hin und her, und das durchnässte Shirt darunter fing an, unangenehme Falten zu schlagen, die auf der Haut juckten. Wir trugen lange Ärmel. Kurzärmelig ins Gefecht zu ziehen ist unklug, hatte Nossi uns geraten. Bei Stürzen schürft ihr euch auf und bei Explosionen verbrennt die Haut viel schneller. Außerdem schützen euch die langen Ärmel vor Sonnenbrand.
    Nur die Hitze ist damit viel schwerer zu ertragen, dachte ich. Weil mir der Schweiß in dünnen Bahnen die Brillengläser meiner Schutzbrille hinunterlief, nahm ich sie ab und steckte sie in eine Schlaufe meiner Weste. Ich fühlte mich wie ein triefender, fetter Schmalzkringel, der gerade frittiert worden war. So etwas hatte ich noch niemals zuvor erlebt.
    Alle paar Meter drehte ich den Kopf und sah Mica ins Gesicht. Er hatte einen hochroten Kopf und schnaufte, während ihm der Schweiß durchs Gesicht lief. Die drückende Luft schien mich nach unten ziehen zu wollen. Ich konzentrierte mich auf meine Füße, damit ich nicht stolperte. Endlich erreichten wir die ersten Häuser des Dorfes, das wir schon von weitem gesehen hatten. Ein paar Kinder rannten los, als wir uns näherten, und verschwanden hinter irgendeiner Tür. Links des Weges befand sich ein kleiner Brunnen. Ein alter Mann und ein kleiner Junge machten sich an der Handpumpe zu schaffen und hörten erst auf, als wir langsam an ihnen vorbeigingen. Sie sahen uns erstaunt an. Ich nickte ihnen zu, der alte Mann erwiderte.
    Zwischen den Gebäuden hielten wir kurz an, weil der Chef mit den Einheimischen sprechen wollte. Dazu hatte er einen

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