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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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Anspannung in den Gesichtern meiner Kameraden verschwand. Es war wie ein Schalter, der sie alle ins Hier und Jetzt zurückholte. Kurz darauf begannen die meisten zu grinsen.
    Ehrlich, das is ja krass. Kruschka hatte als Erster seine Sprache wiedergefunden.
    Alter, Joe, sagte Jonny. Dir hab ich ja viel zugetraut, aber das ist heftig!
    Ich zuckte nur mit den Schultern und grinste. Damit war die Sache erledigt. Intime Geständnisse geschahen im Kameradenkreis öfter. Einer hatte mir mal anvertraut, dass er als Jugendlicher Zigaretten geschmuggelt hatte. Ein anderer berichtete von einer Körperverletzung. So war das nun mal. Die meisten hatten irgendwelche Jugendsünden, aber jetzt würde für jeden ein neues Kapitel aufgeschlagen werden.
    Schließlich regten sich alle wieder und begannen, an der Ausrüstung oder ihrer Waffe zu hantieren.
    Nossi blickte in die Runde: Waffen checken, Taschen checken. Fertigmeldung von vorne nach hinten.
    Der gleiche Befehl wie kurz vor dem Fallschirmsprung: Wir kniffen uns einer nach dem anderen von vorne nach hinten durch. Ich war der Letzte vor Nossi und signalisierte ihm »Daumen hoch«.
    T minus zwo Minuten, war aus dem Lautsprecher zu hören.
    Okay, jeder trinkt noch was und packt eine neue Flasche in die Beintasche. Muli war sehr konzentriert, man hörte es an seiner Stimme.
    Ich trank die Flasche, die ich von Mica zurückbekommen hatte, leer und stopfte sie hinter mir in ein Fach. Seit dem Vortag hatte ich mindestens sechs Liter Wasser getrunken. In Deutschland wäre mir wahrscheinlich schon speiübel gewesen.
    T minus eins!
    TJ war etwas lauter geworden. Als hätte er Angst, dass wir es nicht mitbekommen würden.
    T minus eins, wiederholte Muli langsam ins Funkgerät und brüllte dann laut: Fertigmachen zum Absitzen!
    Wir setzten unsere dunklen Schutzbrillen auf, die die Augen vor Splittern schützen sollten. Ich schloss meinen Helmriemen und umfasste mein Gewehr noch etwas fester.
    Mit einem Ruck hielt der Panzer an. Ich wurde von hinten in Richtung Tür gedrückt und landete mit einem Satz auf dem harten Boden. Sofort lief ich zwei Meter weg, um den anderen Platz zu machen. Ich blieb mit dem Rücken zum Fahrzeug stehen, um die Umgebung im Auge zu haben. Alles schien noch etwas ungeordnet zu sein.
    Warum sichert ihr die Straße nicht!, brüllte unser Kompaniechef von hinten.
    Er schien uns alle im Blick zu haben. Ich lief die wenigen Meter bis zum Straßenrand und kniete mich neben eine Mauerecke, von wo aus ich einen guten Überblick hatte. Links von mir befand sich eine hohe Mauer aus Lehmziegeln, die die gleiche Farbe wie der staubige Boden hatten. Rechts von mir trennte ein Abwassergraben den Parkplatz von dem Feld dahinter. Direkt vor mir lag die Hauptstraße, die die Stadt Kundus mit dem nächsten Distrikt verband. Sie war asphaltiert und so breit wie unsere Bundesstraßen. Für Afghanistan enorm. Eine Menge Fahrzeuge waren unterwegs. Motorräder, kleine und große Lastwagen, die mit allerlei Sachen völlig überladen waren; dazwischen ein paar Fußgänger, die am Straßenrand entlangzogen.
    Hier ist richtig was los, dachte ich. Auf dem Übungsplatz in Deutschland stand immer nur ein ziviles Auto am Checkpoint, das wir kontrollieren sollten. Meistens hatte man irgendwo eine Bombenattrappe versteckt. Es war einfach, zu erkennen, was los war, weil es nur ein Auto gab. Aber hier war alles voller Autos. Sicher wollten die meisten Menschen auf der Straße nur ihrem Alltag nachgehen, ihre Arbeit machen oder irgendjemanden besuchen. Eben das, was jeder normale Mensch tagsüber tut. Was aber, wenn nur ein Einziger es auf uns abgesehen hatte? Ich war weit davon entfernt, mich deswegen verrückt zu machen. Aber ich würde auch so schnell wie möglich lernen müssen, eine gefährliche Situation sofort einzuschätzen. Nicht jeder von denen hat eine Bombe, dachte ich. Darauf kann dich die Ausbildung nicht vorbereiten.
    Weil mir keine Lösung einfiel, versuchte ich einfach nur konzentriert zu sein.
    Hinter mir hörte ich Micas Stimme. Bist du fertig zum Abmarsch?
    Hier Führer der Fahrzeuge, Sicherung steht, hörte ich durch Mulis Funkgerät hinter mir.
    Hier Wolle, ausgezeichnet, war die prompte Antwort des Kompaniechefs.
    Es war die Eigenart unseres Chefs, uns mit diesem »Ausgezeichnet« sein Wohlwollen zu zeigen, ohne in den laufenden Prozess zu sehr einzugreifen. Sein Tonfall war dabei immer freudig erregt, als hätte er großen Spaß an uns.
    Hier Wolle an alle, fuhr er am

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