Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
der doch über dreißig Kilo, schätzte ich laut. Scheiße, ey.
Mica setzte sich meinen Rucksack auf, ich wuchtete mir seinen auf den Rücken, Muli half mir dabei. Danach gab ich Mica meine Waffe und nahm sein Maschinengewehr. Ich wischte Schweiß von meiner Stirn.
Plötzlich kam der Chef mit Mü zu uns herüber. An Muli und Mü gerichtet, sagte er:
Okay, ich will noch bis zu diesen Erdhügeln da vorne.
Er deutete auf ein paar große sandige Erdhaufen in etwa 250 Metern Entfernung. Der Weg dorthin war offen und eben, ohne Deckung.
Golf zwei bleibt in dieser Stellung hier, Golf eins geht mit mir dorthin.
Der Chef wies mit dem Arm in Richtung Fluss und Isa Khel. Das Dorf war noch nicht zu sehen, dazu war die Entfernung zu groß und zu viele Bäume im Weg. Aber wir wussten, dass es sich dort befand.
Muli nahm Mü zur Seite. Die Männer sind ziemlich fertig, raunte er ihm so leise ins Ohr, dass der Chef es nicht hören konnte.
Ja, alles klar, sagte Mü und reagierte nicht weiter.
Nossi mischte sich ein: Die Männer sind kaputt. Kampfkraft nur noch bei siebzig Prozent.
Mü sagte nichts. Ich hatte den Eindruck, dass er dem Chef nicht widersprechen wollte.
Muli kam wieder zu uns. Ich will, dass ihr die Augen offen haltet. Sobald wir Feindkontakt haben, meldet ihr das, so laut ihr könnt. Jonny übernimmt Micas Position!
Ich stand auf und half Mica, mühsam kam er nach oben. Wie fühlst du dich?, fragte ich besorgt.
Keine Ahnung, sagte er.
Wenn’s nicht mehr geht, sag sofort Bescheid, hörst du?
Die Scharfschützen hatten sich eine nahe Buschgruppe links von uns gesucht, in deren Nähe sie sich auf den Bauch legten. Ich konnte sie nur sehen, weil ich wusste, wo sie lagen. Einer von beiden beobachtete durch sein Fernglas, der andere lag hinter seinem Gewehr und blickte durch sein Zielfernrohr.
Ich ging langsam los. Mica war hinter mir. Dann kamen Jonny, Muli und der Rest. Ich war nun der Erste, ganz vorne. Mit zusammengekniffenen Augen spähte ich umher, um ja nichts zu übersehen. Alles war ruhig. Nur das erdrückende Gefühl, als ich aus dem Schatten der Baumgruppe wieder in die Sonne trat, wurde wieder schlimmer. Plötzlich gab es hinter mir ein dumpfes Geräusch. Ich drehte mich um und sah Mica am Boden liegen.
Muli, übernimmst du ihn, rief ich und kniete mich mit einem Bein auf den Boden.
Jonny war schon neben mir und trat noch einige Schritte nach rechts. Auch er kniete sich hin, um zu sichern.
Bevor wir einem Kameraden helfen, muss immer erst der Bereich gesichert werden, hatte Nossi uns eingebläut. Es hilft niemandem, einen Verletzten zu unterstützen, aber in dieser Zeit selbst getroffen zu werden.
Ich drehte meinen Kopf ein wenig und sah, wie die Sanitäter und Wizo Mica nach hinten schleppten.
Okay, weiter marsch, kam aus dem Funkgerät.
Ich setzte mich wieder in Bewegung und trat nun in den völlig freien Bereich hinter der Baumreihe. Wie weit wohl der Fluss noch entfernt war?
Kannst du etwas aufklären?, fragte ich Jonny leise.
Negativ, war die knappe Antwort.
Als ich die Erdhügel erreichte, stellte ich das Gewehr an einem der Hügel ab und hockte mich erschöpft auf den Boden. Verschnaufen. Der Schweiß lief mir durch das Gesicht. Die Bäume und Büsche, die ich schon aus der Entfernung gesehen hatte, verdeckten nur spärlich den Blick auf eine große Freifläche aus Äckern und niedrigen Erdwällen. Irgendwo am Ende dieser Freifläche musste der Kundus-Fluss sein – und dahinter das Dorf Isa Khel.
Sicher werden wir schon beobachtet, dachte ich.
Muli kam zu mir und hockte sich neben mich. Ich sichere dich, sagte ich erschöpft, und er begann, seinen Rucksack abzusetzen.
Ist das eine verdammte Scheiß-Hitze, sagte er schnaufend, als er seine Ausrüstung prüfte und aus einer Wasserflasche trank, die er anschließend weiterreichte.
Ich keuchte, meine Schultern schmerzten. Schweiß lief in Strömen. Verschnaufen, konzentrieren.
Ich zog das Mundstück meines Trinksacks mit der linken Hand zu meinem Gesicht, während ich mit der Rechten weiter die Waffe festhielt. Inzwischen hatten sich auch die anderen um mich herum verteilt. Als Letzte stapften Russo, Dolli und Butch von hinten heran. Sie hatten die ganze Zeit über die Gramawa getragen. Neunzig Kilo. Sie waren hochrot angelaufen.
Komm endlich, rief Dolli zu Butch.
Fick dich, Alter, schneller geht’s nicht, schimpfte dieser zurück.
Ich bewunderte die drei. Sie schnauften wie die Walrosse, als sie das Monstrum aufstellten
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