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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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nassgeschwitzten Kleider unter meiner Schutzweste und im Schritt scheuerten. Simbo vor mir schien es ähnlich zu gehen.
    Verdammt, bis wir da sind, fallen meine Eier raus, weil die ganze Haut weg ist, schimpfte er.
    Wir waren am Ende unserer Kräfte.
    Um mich abzulenken, fing ich an, das Gewicht zu zählen, das wir hier mit uns herumschleppten. Die Stiefel wogen zweieinhalb Kilo, die Pistole mit Holster ein Kilo, die Schutzweste über zehn, die Weste mit der Kampfausrüstung darüber noch mal fünfzehn, wobei allein drei Kilo an Wasser in der Trinkblase waren, der Helm fast drei, die Waffe wiederum über sechs Kilo, das waren ohne Rucksack schon über achtunddreißig Kilo an Gewicht. Mein Rucksack war mit zehn oder fünfzehn Kilo leichter als Micas. Je nach Waffe und mitgeführter Munition konnten insgesamt bis zu sechzig Kilo an Ausrüstung zusammenkommen, die wir hier mit uns herumschleppten. Kein Wunder, dass es uns so schlecht ging.
    Ich dachte ans Abendessen. Ey, Simbo, so ein kaltes Stück Ananas wäre jetzt geil, was?, rief ich nach vorne.
    Oder eine Frau, die aus einem eiskalten Pool steigt und dir ’nen Eiswürfel in den Mund schiebt, kam prompt von ihm zurück.
    Du siehst dir zu viele Pornos an, rief ich ihm erschöpft zu.
    Ich versuchte mit meiner Zunge etwas Feuchtigkeit im Mund zu verteilen. Aber ich hatte nur eine trockene, klebrige Masse auf den Schleimhäuten, die ich hin und herschob. Mit jedem Schritt, den ich ging, nahmen die Schmerzen in meinen Armen, meinen Beinen und in meinem Rücken zu. Ich hatte Mühe, den Kopf oben zu halten, mich umzusehen. Ich wollte nicht mehr weitergehen. Wie lang konnten so ein paar scheiß Kilometer eigentlich sein?
    Das Funkgerät knackte. Hier Zugtrupp, wo bleibt ihr?
    Wir sind dran, es dauert halt, sagte ich keuchend.
    Es ist das erste Mal, versuchte ich mir einzureden. Mit jedem Mal wird es leichter werden. Aber wie lange würden wir überhaupt hier sein? Sie hatten uns nichts Genaues gesagt. Der Chef hatte schon in Deutschland verkündet, dass wir uns auf sechs Monate einstellen müssten. Aber genau wisse selbst er das nicht. Muli hatte von Beginn an darauf getippt, dass wir nicht vor Weihnachten zu Hause wären. Wir waren am 16. Juni gelandet, am 16. Dezember wären es also genau sechs Monate.
    Ich musste die Augen offen halten. Alles lag still in der Mittagshitze vor mir. Die einfachen Lehmhäuser, die wenigen Bäume, die vielen struppigen Büsche. Kein Mensch war zu sehen. Die kleinen Äcker wirkten wie aus einer anderen Zeit. Hier hatte bestimmt noch niemand einen Mähdrescher benutzt. Die Sonne brannte mit ihren Strahlen auf das Land, das hinter uns lag, und auf das Land, das vor uns lag. Es gab kein Entkommen vor ihren unbarmherzigen Strahlen. Wir waren Fremde hier, und wie Fremde behandelte uns auch die Natur. Sie schien uns ausspucken, loswerden zu wollen.
    Wieder das Funkgerät. Langsam reichte es mir.
    Hier Zugtrupp, wo bleibt ihr denn?, war die überflüssige Frage, denn unsere Marschreihe war intakt.
    Es geht halt nicht besser, wir gehen so schnell wir können, schnauzte ich schon fast ins Funkgerät.
    Die haben gut reden, dachte ich. Zwar war der Zugtrupp als Führungsgruppe genauso viel marschiert wie wir, aber sie mussten nicht die ganzen schweren Waffen tragen. Als ich mich umdrehte und wieder ein wenig schneller gehen musste, um die verlorenen Schritte zu Simbo aufzuholen, konnte ich in der Ferne die Fahrzeuge und den Straßenverkehr erkennen. Mit jedem Schritt, den wir uns auf die Transportpanzer zubewegten, spürte ich meine Beine weniger. Noch niemals zuvor war ich der körperlichen Aufgabe so nahe wie in diesem Augenblick. Nur noch wenige Meter. Die Ersten waren bereits da.
    Muli stand gebeugt und stützte seine Hände auf den Knien ab. Simbo ließ sich auf den Boden fallen. Ich stolperte die letzten Schritte zu unserem Fahrzeug und ließ den Rucksack von meinen Schultern gleiten. Simbo und Jonny hatten sich bei einem anderen Fahrzeug Wasserflaschen geholt und tranken gierig. Kruschka lag auf dem Boden und schnappte nach Luft. Dolli zog mühsam seine Schutzweste aus und überschüttete sich mit Wasser. Kameraden, die zurückgefahren oder bei den Fahrzeugen geblieben waren, reichten es uns flaschenweise. Nossi übernahm die Führung und versuchte, Ordnung in den Haufen aus völlig erschöpften, klitschnassen Männern zu bringen. Bei der zweiten Gruppe sah es nicht anders aus.
    Ey, denkt ihr auch an die Sicherung!, brüllte der Chef

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