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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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feindlicher Schütze voraus. Entfernung etwa hundertfünfzig, er hat eine Waffe, schrie Nossi herüber.
    Ich lag immer noch auf dem Boden. Als ich hörte, dass der Feind auf der mir gegenüberliegenden Seite aufgeklärt worden war, sprang ich auf und hockte mich neben Muli. Der Chef stand aufrecht und spähte durch sein Fernglas. Will der denn nicht in Deckung gehen?, dachte ich. Er stand dort seelenruhig und absolut bewegungslos, hatte beide Hände am Fernglas und beobachtete.
    Ich kann nichts aufklären, sagte er laut. Wo war das genau?
    Vor meiner Stellung, bei der Baumgruppe auf ein Uhr, Entfernung hundertfünfzig, wiederholte Nossi seine Angaben mit aufgeregter Stimme.
    Danach herrschte Stille. Keiner sagte ein Wort, nichts rührte sich vor uns.
    Als wir uns endlich auf den Rückweg machten, nahm ich auch das Maschinengewehr mit. Jetzt musste ich die beiden Panzerfäuste in einer Hand tragen und das Gewehr in der anderen. Es schmerzte schon beim Hochheben. Ich biss mir auf die Lippe und ging zügig los. Es waren vielleicht hundert Meter bis zur zweiten Gruppe, aber es kam mir vor wie ein Kilometer. Immer noch stand die Sonne hoch über uns. Der Schweiß, der sich mit dem Sand zu einer festen Kruste auf meinem Gesicht verklebt hatte, begann wieder aus jeder Pore meines Körpers zu fließen. So quälte ich mich mit meiner schweren Last die letzten Meter zu Golf zwei und erreichte sie unter heftigem Keuchen.
    Etwas weiter hinter mir lag Mica in einem trockenen Graben und wurde immer noch von den Sanitätern versorgt, sie hatten ihm eine Infusion gelegt. Einer hielt ein großes Tuch über seinen Kopf, um ihm Schatten zu spenden. Ein anderer gab ihm erst aus einer kleinen Flasche zu trinken, dann spritzte er etwas Wasser mit der Hand in sein Gesicht. Plötzlich fing Mica an zu strampeln und mit den Armen zu rudern.
    Lasst den Sand weg, schüttet mir keinen Sand ins Gesicht, rief er hysterisch.
    Der Sanitäter hörte auf, sein Gesicht mit Wasser zu benetzen, und hielt ihn fest. Die Hitze musste Mica schlimm erwischt haben, aber er war nicht der Einzige. Neben ihm lagen noch drei Kameraden aus der zweiten Gruppe, die ebenfalls betreut wurden. Sie hatten hochrote Gesichter und atmeten hastig.
    Schließlich wurden die mit den größten Kreislaufproblemen auf die beiden per Funk herbeigerufenen Geländewagen geladen. Außerdem die schweren Waffen und fast alle Rucksäcke.
    Ich sah erstaunt, dass auch Nossi auf einen der Wölfe stieg. Er war schon mehrfach in Afghanistan gewesen. Wenn sogar er solche Probleme hatte, musste es wirklich schlimm um uns stehen. Jetzt war ich mir sicher, dass die körperliche Belastung im Moment vielleicht noch gefährlicher war als der Feind. Wir waren in der absolut beschissensten Verfassung, um zu kämpfen. Hoffentlich ging auf dem Rückweg alles gut. Wenn da wirklich jemand war, konnte es gut sein, dass er uns verfolgen und aus einem Versteck heraus angreifen würde.
    Dann heulten die Motoren auf. Die Wagen rumpelten langsam los und hüllten uns in eine Staubwolke. Joe, du bist noch am fittesten, sagte Muli zu mir. Du gehst ganz hinten.
    Ja, ist gut, aber hast du Wizo gesehen, der ist frisch wie der Frühling, deutete ich an.
    Das stimmt, aber du musst die Männer jetzt zusammenhalten. Muli schien lächeln zu wollen, aber sein angestrengtes Gesicht verzog sich nur kurz.
    Kannst du das Funkgerät nehmen?, fragte er erschöpft.
    Er brauchte meine Antwort nicht. Ich zog ihm den Rucksack vom Rücken, in dem das mehrere Kilo schwere, große Funkgerät verstaut war, und setzte ihn mir auf.
    Als wir uns in Marsch setzten, war es kurz nach Mittag. Die Sonne brannte unerbittlich auf uns herab. Die Schritte, die mir anfangs in dem Wissen, bald zurück zu sein, leichtfielen, wurden schnell schwerer und schwerer. Während ich mich immer wieder nach hinten umdrehte, um als letzter Mann die Umgebung in unserem Rücken im Auge zu behalten, zogen wir in einer langen müden Schlange den Weg entlang, den wir gekommen waren. Mit jedem Schritt schien der Sand unter mir meine Füße widerwilliger freigeben zu wollen. Dabei noch auf die Umgebung zu achten, mich wieder und wieder umzudrehen, die Verantwortung als letzter Mann in der Reihe nicht außer Acht zu lassen, ließ meine Reserven mehr und mehr schrumpfen. Auf den nassen und dunkel gefärbten Uniformen der anderen erkannte ich weiße Flecken, dort wo der Schweiß zu schnell verdunstet war und Salz auf dem Stoff zurückgelassen hatte. Ich fühlte, wie meine

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