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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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langsam bewusst, dass wir hier Regeln unterlagen, auf die wir nur sehr begrenzten Einfluss hatten.
    In der Innenstadt, wo sich bröckelnde Fassaden und Einschusslöcher in den Wänden abwechselten, rollten wir an einem Schlachter vorbei, der die gehäuteten Hühner und Schafshälften direkt an der Straße an einem Stahlgestell aufgehängt hatte. Ein Stück weiter arbeitete ein Mann vor einer Fahrradwerkstatt, während ein anderer gestikulierend danebenstand. Einige Gebäude waren blassgrün oder türkis gestrichen, aber von allen Gebäuden zeugten der sich lösende Putz oder die abblätternde Farbe von einer schöneren Vergangenheit.
    Dazwischen mussten unsere großen, groben Fahrzeugkolosse wie aus einer anderen Welt wirken. Eine andere Welt, aus der sie und wir als Insassen ja auch kamen. Wie ein Rudel Drachen, das sich seinen Weg durch diese andersartige Kultur bahnte, mächtig und ängstlich zugleich.
    Als wir um die nächste Ecke bogen, sah ich die erste afghanische Frau seit unserer Ankunft. Sie hatte eine kornblumenblaue Burka an, die bis zu ihren Schuhen reichte. Nur ein Netz verriet, wo sich ihr Gesicht befinden musste. Sie ging die Häuserreihe entlang und hielt an einem Stand an, der irgendetwas in gelben Plastikkanistern verkaufte. Nur wenige Meter weiter gingen zwei junge Frauen in langen, einfachen Gewändern nebeneinander, die sich angeregt unterhielten und nur ein einfaches Kopftuch trugen.
    Ihr werdet sehen, dass es auf dem Land meistens sehr streng ist, ergänzte Muli. Dort sieht man nur Burkas.
    Schade, dabei ist doch Wetter für Miniröcke, witzelte Hardy.
    Inzwischen waren wir am Stadtrand angelangt. Wir fuhren eine Anhöhe hinauf, und die Landschaft änderte sich schlagartig. Eine gelbe Geröllwüste öffnete sich bis zum Horizont, und die Luft flimmerte in der Mittagshitze.
    Schaut mal raus, sagte ich. Obwohl es so trostlos ist, ist es irgendwie auch schön, oder?
    Was glaubst du, warum ich mich hier so wohl fühle, antwortete Muli. Irgendwann zieh ich hierher und kauf mir ’n schönes kleines Haus.
    Obwohl ich wusste, dass er das sicher nicht ernst meinte, erkannte ich doch die tiefe Verbundenheit, die er mit den Jahren zu diesem Land aufgebaut haben musste. Einen Respekt für diese Mission, dieses Land und seine Bewohner, den ich fast schon als Zuneigung bezeichnet hätte.
    Bald tauchte in der Ferne eine Ansammlung von Hütten auf, die ärmlich und karg in der Wüste lagen. Wir hatten noch dreißig Kilometer vor uns.
    Also hier möchte ich nicht leben, durchbrach ich die Stille im Fahrzeug, worauf Muli entgegnete: Und vermutlich hat hier in zehn Jahren kein ISAF-Soldat seinen Fuß reingesetzt.
    Und was läuft in solchen Dörfern, wo nie ein Soldat von uns hinkommt?, fragte ich
    Na, dafür gibt es ja die afghanische Polizei, erklärte Muli. Die sollen da regelmäßig hinfahren und sich um die Leute kümmern.
    Und das soll funktionieren?, fragte ich misstrauisch.
    Das Problem ist, dass die Polizisten meistens nur da eingesetzt werden, wo sie auch wohnen, fuhr Muli fort. Und die sind immer irgendwem verpflichtet. Und wenn’s die eigene Familie ist. Oder ’n Stammesführer oder der Dorfmullah. Und bei der beschissenen Bezahlung, die die hier bekommen, kannst du dir vorstellen, wie loyal sie gegenüber der Regierung sind, wenn der Taliban mit im Dorf wohnt. Für die Aufständischen sind diese Dörfer also der ideale Rückzugsort.
    Hey, dann isses doch ganz einfach, rief Mica mit gespieltem Ernst. Wir fahren einfach nacheinander in alle Dörfer, wo noch nie ein deutscher Soldat war, und räumen da mal richtig auf. Dann erwischen wir immer die Richtigen.
    Das wurde ja unter anderem den Russen hier zum Verhängnis, bemerkte TJ.
    Stimmt, sagte Muli. Wenn du die Einheimischen gegen dich aufbringst, wie es hier die Russen oder die Amis in Vietnam gemacht haben, dann kannst du nicht gewinnen, erklärte Muli.
    Also machen wir gar nichts und verkriechen uns, ist mal wieder typisch deutsch, schimpfte TJ.
    Am Rande der Straße taten sich gewaltige Felsformationen auf. Der Highway durchschnitt sie wie eine Schlange, die sich in den Boden eingegraben hatte. Struppige, grüne Bäumchen wuchsen in jeder Spalte, und wenn wir nicht genau gewusst hätten, wo wir uns befanden, hätte ich auf eine Alpenstraße getippt. Ich begann, die Schönheit dieses Landes zu bewundern.
    Die starke Abwechslung der Landschaft spiegelt sich auch in den Köpfen der Menschen wider, erklärte Muli. Die Menschen in den

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