Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
genehmigten.
Ich hab gerade ’nen Freund aus einer anderen Kompanie getroffen, berichtete Jonny.
Tja, manchmal muss man halt fünftausend Kilometer fahren, um Freunde wiederzusehen, sagte ich lachend. Wie lange bist du schon hier?, wollte ich von Jonnys Bekannten wissen.
Fast vier Monate, bald geht’s nach Hause.
Oh, schön für euch. Und was habt ihr den ganzen Tag gemacht, mit vierzig Mann?
Also anfangs haben wir noch Patrouillen zu Fuß in die Stadt gemacht, das ist aber verboten worden, weil’s angeblich zu gefährlich ist, sagte er frustriert. Dabei hatten wir in vier Monaten keinen einzigen relevanten Zwischenfall, berichtete er.
Ich fragte mich, wie ich es monatelang mit vierzig Männern in einem so eng umgrenzten Bereich aushalten würde. Mal abgesehen von der abgeschnittenen Lage, falls doch etwas passierte. Ein Hubschrauber konnte hier nicht landen, und aus Kundus brauchten wir mindestens eine Stunde.
Auf dem Rückweg ins Feldlager Kundus erzählte Muli uns, was er über die Situation in Taloqan noch vom letzten Mal her wusste:
Hier an der Straße nach Kundus wohnt irgend so ein hoher Regierungsbeamter, der wohl früher ein Warlord war oder noch ist oder beides. Der hat ein total schickes Haus an der Straße. Da kommen wir nachher wieder dran vorbei. Der will vor seiner Haustür Ruhe haben und sorgt dafür, dass es auf der Straße nach Taloqan mit Bomben relativ ruhig ist.
Wir glitten auf der vor Hitze flirrenden Straße mit lautem Dröhnen dahin und hofften, die Fahrt bald hinter uns zu haben, bevor unsere Hintern und Beine abgestorben wären. Am Rand tauchten alte russische Panzerwracks auf. Überbleibsel des zehn Jahre dauernden Krieges gegen die Sowjetunion. Sie lagen einfach dort herum, wo sie zerstört worden waren, niemand machte sich die Mühe, sie wegzuräumen. Liegengelassen und unnütz rosteten sie der ungewissen Zukunft dieses Landes entgegen.
Schneller als gedacht tauchte das alte kleine Metallschild mit der Aufschrift »Provincial Reconstruction Team Kundus« neben meinem Fenster auf. TJ hielt den Dingo an, und ein Wachmann untersuchte den Fahrzeugboden mit einem Spiegel, der an einem langen Stiel befestigt war.
Könnte ja sein, dass sich ein Taliban unter dem Fahrzeug festhält, witzelte Hardy.
Auf dem Ehrenhain angekommen, der großen freien Fläche hinter dem Haupttor, die zum Auffahren aller ein- und ausfahrenden Fahrzeuge diente und wo sich auch das Ehrenmal für die in Kundus gefallenen Deutschen befand, erreichte uns ein Funkspruch von Mü.
Mü an alle, Lageinformation: Wir sind ab sofort die Notfallbereitschaft des Feldlagers.
Wir bräuchten hier nur eine beschissene Infanteriekompanie mehr, um den Betrieb vernünftig aufrechtzuerhalten und den anderen genug Pausen zu gönnen, motzte TJ. Die hier im Feldlager haben es da besser, die haben diesen Stress nicht. Aber wenn Übergabe der Schutzkompanie oder einer der beiden Infanteriekompanien ist, geht der Rest auf dem Zahnfleisch.
Hey, wir sind erst zwei Tage hier und du gehst schon auf dem Zahnfleisch?, fragte ich lachend.
Nein, aber so was kotzt mich einfach an. Nur weil die in Deutschland Schiss haben, den Leuten zu verklickern, dass wir hier noch eine Kampfeinheit von hundert Mann mehr brauchen, müssen wir so ’nen Scheiß mitmachen. Wie kann man so schlecht organisiert sein, ich versteh das nicht.
Jetzt ist mal gut, unterbrach ihn Muli, du kriegst sonst noch ’nen Herzinfarkt. Also, du und ein Freiwilliger, ihr bereitet jetzt das Fahrzeug nach. Schnell den Luftfilter ausblasen, dann kommt ihr sofort wieder. Ich geb euch ein Funkgerät mit. Ab sofort seid ihr abrufbereit im Bereich, niemand geht irgendwo hin, ohne sich abzumelden.
Was ist mit Duschen, wollte Mica wissen.
Duschen könnt ihr morgen Mittag, wenn die vierundzwanzig Stunden Bereitschaft um sind. Ach ja, Abendessen nur gemeinsam und nur, wenn ein Funkgerät dabei ist. Ihr geht geschlossen zum Essen und kommt ohne Umweg geschlossen zurück. Und deckt die Waffenanlage ab.
Jetzt? Mit einer Plane?, hakte Mica nach.
Ja, genau, belehrte Muli ihn. Ihr seht doch, dass der scheiß Sand in jede Ritze gerät.
Als Muli fertig war, hatte er ziemlich genau beschrieben, was es bedeutete, Notfallbereitschaft zu haben. Als der Rest des Zuges ebenfalls von den Fahrzeugen stieg, konnte ich an den Gesichtern erkennen, dass die übrigen Feldwebel eine ähnliche Ansprache gehalten haben mussten.
Als TJ und Hardy mit dem Dingo davonbrausten, rannte ich zum Zelt, um
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