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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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meine Sachen zu holen. Ich wollte die Zeit nutzen, um in der Zwischenzeit mein provisorisches Lager bei Butch und Dolli zu beziehen.
    Das willst du aber nicht alles in unsere Bude tun, oder?, brummte Butch, als ich vor seinem Container auftauchte.
    Nein, nein, versuchte ich ihn zu beruhigen, obwohl ich es eigentlich doch vorgehabt hatte.
    Er nickte und ging wieder, als Mü plötzlich aus seinem Container stürmte.
    Wir müssen raus!, rief er mir zu. Alarmiere die anderen.
    Check, rief ich zurück und lief von einem Container zum nächsten.
    Ich riss die Türen auf, hinter denen mich Dunkelheit empfing. Die meisten hatten sich wahrscheinlich gerade hingelegt. In jeder freien Minute zu schlafen, scheint eine typische Eigenschaft jedes Soldaten zu sein. So war es schon mit den Rekruten gewesen, die ich ausgebildet hatte. Und so war es auch mit den Jungs aus diesem Zug. Wenn man jemanden tagsüber während der Freizeit suchte, musste man zuerst in seinem Bett nachsehen. Danach im Kraftraum.
    Alarm, alles aufstehen!, brüllte ich über den Flur. Abmarschbereitschaft herstellen!
    Während ich mir die Weste anzog und den Gürtel mit der Pistole umschnallte, stürmten die anderen auf den Flur.
    Nach vierzehn Minuten war der ganze Zug auf dem Ehrenhain aufgefahren. Wir saßen in voller Gefechtsausrüstung auf unserem Dingo und warteten auf die Befehle.
    Das Funkgerät knackte und Mü meldete sich. Muli hatte den Lautsprecher so ausgerichtet, dass alle im Fahrzeug mithören konnten.
    Mü an alle, Lageinformation: Vermuteter Bombenfund durch afghanische Polizei. Die übergeordnete Führung will Kampfmittelbeseitiger rausschicken, um das vor Ort zu untersuchen. Unser Auftrag lautet, den Begleitschutz zu stellen.
    Als sich der Jammer in die Reihe eingliederte, dachte ich daran, dass er unser wichtigstes Fahrzeug war. Denn er sollte mit seinen Antennen die Auslösung der Sprengsätze per Handy verhindern. Jedem von uns war klar, was eine solche Alarmierung bedeuten konnte. Der Karfreitag kam mir wieder in den Sinn. An diesem Tag war ebenfalls die Notbereitschaft rausgerufen worden und hatte neben zahlreichen Verletzten auch einen Mann verloren. Wir waren in einer merkwürdigen Stimmung aus Unruhe und Spannung gefangen, erwarteten jederzeit das scheinbar Unvermeidbare: das erste Gefecht. Wir konnten nichts weiter tun als darauf warten.
    Ich fasste mein Gewehr wieder fester, als müsste ich mich versichern, dass es wirklich da war. Diese Waffe, die ich in der Ausbildung beim Schießen auf sich bewegende Scheiben und Tafeln zu beherrschen gelernt hatte, war alles, woran ich mich jetzt klammern konnte. Ich setzte mein entschlossenstes Gesicht auf, was wegen der breiten, getönten Schutzbrille sowieso niemand sehen konnte, und wartete ab.
    Hier Mü, Lageinformation, kam über das Funkgerät. Die afghanische Polizei hat das wohl eigenständig geklärt. Wir fahren zurück zu den Unterkünften und bleiben weiter in normaler Bereitschaft, Ende.
    Sag mal, wann kam diese erste Alarmierung?, fragte ich in die Runde.
    Fünfunddreißig Minuten nach unserer Rückkehr aus Taloqan, antwortete TJ missmutig.

SALAM ALEIKUM
    Das erste Kompanieantreten fand statt, als schließlich alle Kameraden aus Deutschland eingetroffen waren.
    Guten Tag, zwote Kompanie.
    Die tiefe, Autorität ausstrahlende Stimme unseres Kompaniechefs hallte uns entgegen.
    Tag, Herr Hauptmann, schmetterten wir im Chor zurück.
    Wir standen im Karree mit einer offenen Seite, die durch unseren Chef ausgefüllt wurde. Kein Soldat ging gerne zu einem Antreten. Es bedeutete warten, still stehen, zuhören. Und besonders hier im Feldlager, wo jeder versuchte, den Tag in einem klimatisierten Container oder wenigstens im Schatten zu verbringen, war so ein Antreten in der prallen Sonne ziemlich unerträglich. Aber bei unserem Chef war es anders. Als er sich jetzt vor uns hinstellte, konnte ich die Ehrfurcht spüren, die wir alle ihm entgegenbrachten. Während bei anderen Vorgesetzten schon mal geflüstert wurde, war es bei ihm so still, dass jede Bewegung, jede Kopfdrehung sofort auffiel. Groß und gerade stand er vor uns, schien jeden Einzelnen anzublicken. Solchen Respekt verdient sich ein Vorgesetzter nur mit dem eigenen Vorbild. Und dem Versprechen, immer für seine Männer da zu sein. Nach einer erwartungsvollen Pause begann er mit tiefer, ruhiger Stimme zu sprechen.
    Ich habe Sie antreten lassen, weil ich Sie alle, nachdem jetzt auch die Letzten mit dem Flugzeug angekommen sind,

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