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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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gemeinsam hier begrüßen möchte. Wir treten heute zum ersten Mal seit unserem Abflug aus der Heimat an. Der eine oder andere, der mit mir und dem Golf Zug draußen war, hat ja bereits seine persönliche Schnellakklimatisierung hinter sich. Das mag zwar nach so kurzer Zeit überraschend gewesen sein, war aber notwendig, um unsere Leistungsfähigkeit unter den Bedingungen hier in Kundus einschätzen zu können. Unser Auftrag ist klar: Wir müssen in den nächsten Wochen so viel wie möglich über Gegner, Bevölkerung und unser Gelände erfahren. Dazu werden wir zunächst viele Patrouillen durchführen, auch jenseits der Hauptstraßen, dort wo die Sache weniger einfach ist.
    Er hielt einen Moment inne.
    Wir sind hier in guter Fallschirmjägertradition, fügte er dann hinzu. Wir machen eine sehr wichtige Arbeit und werden dies in den nächsten Monaten fortführen. Wir sind hier, weil wir uns diese Arbeit ausgesucht haben, jeder Einzelne von uns. Hier und jetzt in Kundus wird eingefordert, worüber wir immer gesprochen haben. Und ich bin fest davon überzeugt, dass wir für unsere Aufgabe bereit sind. Treue um Treue!
    Die drei letzten Worte sagte er laut und mit fester Stimme, aber vollkommen ruhig. So als würde er über die Aufstellung der Fahrzeuge auf dem Parkplatz und nicht über den Krieg in Afghanistan, über unseren Kampfeinsatz sprechen.
    Meine Gedanken begannen, um das gerade Gehörte zu kreisen. Ich fühlte mich in diesem großen Team sehr stark. Ich war Teil einer Gemeinschaft, in der jeder Einzelne von dem betroffen war, was auf uns zukommen würde. Ich hatte mir von Anfang an diesen einen, wichtigen Grund vor Augen gehalten, hier zu sein: wegen des Kameraden neben mir. Wegen des Teams, das nur funktionieren konnte, wenn alle am gleichen Strang zogen. Freiwilliger Gruppenzwang, sozusagen. Und wie eine Entschuldigung mir selbst gegenüber kamen mir die anderen Gründe in den Sinn, über die ich schon viel nachgedacht hatte. Dass ich schon so lange wissen wollte, was es bedeutete, als Soldat auch eingesetzt zu werden. Dass mir der Einsatz in einer Kampfeinheit dieses Gefühl möglicherweise am ehesten vermitteln könnte. Dass ich der Realität dieses Afghanistaneinsatzes nur würde auf den Grund gehen können, wenn ich wirklich hier wäre.
    Kurz vor dem Abflug hatte sich ein weiteres Gefühl in meinen Kopf geschlichen. Der Tod der Kameraden am Karfreitag hatte in mir den Wunsch entfacht, die Aufständischen für ihre Tat zu bestrafen. Ich wollte Gerechtigkeit für deren Grausamkeit. Diesem Urinstinkt nachgeben. Aber war es vernünftig gewesen, so kurz vor dem Einsatz an Rache zu denken? Rache nehmen bedeutete höchstens, einen emotionalen Ausgleich zu bekommen. Aber wie sinnvoll war Rache als Ausgleich für ein Menschenleben? Es nagte an mir, dass meinen Kameraden so übel mitgespielt worden war. Es nagte an uns allen.
    Wohl aus diesem Grund fühlte ich mich mit meinem Team der Aufgabe verpflichtet, sie für ihre Taten büßen zu lassen und gleichzeitig das zu versuchen, was niemand in den letzten Jahren hier geschafft hatte: eine Verbesserung der Lage herbeizuführen.
    Der Chef fing wieder an zu sprechen, in dem gleichen ruhigen Tonfall wie eben, so als wäre das vorher Gesagte nichts Besonderes gewesen: Der Golf Zug hat bis morgen immer noch Notfallbereitschaft. Die übrigen Züge kümmern sich um ihre Ausrüstung und um den Umzug in die Container. Ziel ist es, die gesamte Kompanie so schnell wie möglich voll einsatzbereit zu haben. Ich möchte alle Führer heute Abend um 19 Uhr in der Festung sehen. Noch irgendwelche Fragen an mich?
    Als keine Antwort kam, schloss er mit einem lauten »Wegtreten«.
    Während sich die Kompanie in alle Richtungen zerstreute, befahl uns Mü stehenzubleiben. Wir lockerten uns etwas und warteten schwitzend auf seine Anweisungen.
    Unser Zugführer zückte einen kleinen Zettel mit handschriftlichen Notizen und begann: Wir sind immer noch in der Notfallbereitschaft gebunden. Also bleiben alle in Hörweite bei den Containern. Zum Essen nur mit Funkgerät und in der Gruppe.
    Dann wandte er sich an Nossi. Was macht die Munition?, fragte er, weil er Nossi zuvor die Organisation über den Munitionscontainer des Zuges übertragen hatte.
    Ich arbeite mich immer noch durch das Chaos, das unsere Vorgänger hinterlassen haben, antwortete dieser.
    Sobald du fertig bist, benötige ich die Zahlen, was wir im Bestand haben, befahl Mü. Dann richtete er sich wieder an alle. Ich weise noch

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