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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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dass die CIMICs von einem zum Nächsten weitergereicht wurden. Nach einer halben Stunde wurde die Aktion abgebrochen.
    Verdammt, wir wollen euch doch nur helfen, dachte ich.
    Während wir langsam den steilen Pfad herunterrollten, versammelten sich plötzlich immer mehr Menschen rufend und gestikulierend um unsere Fahrzeuge. Kinder, junge Männer, alte Männer. Der Lärm wurde lauter. Die Kinder machten Zeichen, schienen etwas haben zu wollen, Wasser vielleicht. Auch auf den Häusern über uns erschienen viele Menschen. Sie riefen und schrien. Vielleicht waren sie sauer, dass wir unverrichteter Dinge wegfuhren.
    Verdammte Bande, rief Hardy ärgerlich. Wollen sich nicht helfen lassen und sind dann sauer.
    Auch zwischen den Fahrzeugen waren Menschen, wir kamen nur langsam vorwärts. TJ hupte. Plötzlich knallte es. Scheppern, das Schlagen von Metall.
    Was war das?, riefen TJ und ich durcheinander.
    Habt ihr irgendwas gesehen?, fragte Muli.
    Nichts zu sehen, gab Mica zur Auskunft. Er kurbelte hektisch an seiner Waffenanlage, blickte durch die Optik.
    Ich habe keinen Schuss gehört, meldete sich Hardy.
    Ich sortierte meine Gedanken. Okay, ist jemand verletzt?, fragte ich laut und deutlich.
    Nein, kam von Hardy und Mica.
    Hinten alles klar, meldete ich an Muli.
    Meine Scheibe ist kaputt, rief TJ dazwischen.
    Und tatsächlich, ein großer Riss quer über das Seitenfenster war zu sehen.
    Ich hab auch ’nen Schaden, an der Optik, meldete sich Mica. Die ham einen der Winkelspiegel auf dem Dach getroffen. Ich bin nach links blind.
    Hier Muli, Kontakt links! Wir sind angegriffen worden, meldete unser Gruppenführer über Funk.
    Wir waren immer noch nicht sicher, was da gerade passiert war. Normalerweise würden wir in einer solchen Situation mit Vollgas durchbrechen, um aus der Gefahrenzone herauszukommen. Stattdessen rumpelten wir langsam hinter den anderen her, weil es auf dem schmalen, steilen Weg nicht anders ging. Unten auf der Straße angekommen, begutachteten wir den Schaden.
    Das war ’ne Steinschleuder, bemerkte Muli. Die benutzt hier jeder, der sich kein Gewehr leisten kann. Wahrscheinlich ham die Kugeln aus Kugellagern oder ’ne Schraubenmutter benutzt.
    Auf dem Rückweg rätselten wir immer noch, ob es sich tatsächlich um einen Angriff oder nicht eher um einen Streich gehandelt hatte. Ungewissheit. Einfach alles hier bedeutete Ungewissheit. Gewiss war nur, dass hier Krieg herrschte. Auch wenn wir bis jetzt noch davongekommen waren.
    Abends im Feldlager versuchte ich, in der Heimat anzurufen. Verbindungsprobleme. Ich sah viele andere, die in der Dunkelheit saßen und ebenfalls telefonierten. Offenbar war das Netz, das man uns Soldaten zur Verfügung stellte, diesem Ansturm nicht gewachsen. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich durchkam. Eine vertraute Stimme, Sehnsucht, Heimatgefühle. Verständnis auf beiden Seiten. Es war ein sehr zärtliches Gespräch, so dass ich eine ruhige Ecke suchte, um es ungestört fortsetzen zu können. Nach dem Gespräch schloss ich die Tür von Dollis und Butchs Container von innen ab …
    Einen Tag vor der nächsten Raumverantwortung gab es wieder ein Kompanieantreten. Der Chef spannte uns nicht lange auf die Folter. Seine tiefe Stimme erfüllte den Platz, langsam und deutlich sprach er zu uns:
    Wir haben nun die erste Raumverantwortung hinter uns gebracht. Nicht nur der Raum musste erkundet werden, vor allem mussten wir uns an die Umstände und die Umgebung gewöhnen. Der eine oder andere mag angespannt gewesen sein, aber das ist gut und richtig so. Wer keine Demut vor der Aufgabe aufbringt, wird nachlässig und riskiert zu viel. Wir lernen jeden Tag dazu und werden jeden Tag sicherer. Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen.
    Dann machte er eine Pause.
    Ich will Ihnen einen kleinen Ausblick auf die nächste Zeit geben: Wir haben mit Präsenzpatrouillen auf der Hauptstraße in Chahar Darrah angefangen. Hauptsächlich mit Fahrzeugen, aber auch zu Fuß. Der Feind hat es bisher vorgezogen, uns auszuweichen, sich nicht zum Kampf zu stellen. Diese Ruhe ist jedoch mehr als trügerisch, da der Feind uns aus seinen Rückzugsräumen jederzeit und an jedem von ihm bestimmten Ort angreifen kann. Wir werden daher verstärkt in die Rückzugsräume des Gegners eindringen, uns langsam vortasten und den Gegner zu eigenen Absicherungsmaßnahmen zwingen. Für uns gilt es jetzt, aus der Defensive herauszukommen.
    Er hielt erneut inne.
    Leider kann ich Ihnen noch nicht sagen, wie lange unser Einsatz dauern

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