Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
die Antenne. Kurze Störungen, deutlicher Empfang. Wir jubelten wieder und drehten die Lautstärke voll auf. TJ saß im Schneidersitz auf dem Dach und hielt das Radio. Ich stand daneben und hielt das eine Ende des Drahtes an die Antenne und das andere so weit nach oben wie ich konnte. Vielleicht wäre es umgekehrt besser gewesen, TJ war viel größer als ich. Wir dachten nicht daran. Wir dachten an Fußball. Deutschland gegen Argentinien. Viertelfinale. Die Geräusche hallten in jede Ecke der Polizeistation. Der Hof füllte sich. Sogar die Wachposten auf dem Turm mussten ermahnt werden. Es war ein schönes Gefühl. Ein Heimatgefühl.
FEIGHEIT VOR DEM FEIND
Je mehr sich unsere erste Raumverantwortung ihrem Ende näherte, umso mehr freute ich mich darauf, bald wieder in einem richtigen Bett liegen zu können. Mir machte die Arbeit hier draußen Spaß. Die Fußmärsche, das Schwitzen, der Staub. Das alles konnte meine Motivation nicht im Geringsten zügeln. Aber ein weiches Bett fehlte mir. Dem einen oder anderen Kameraden ging es mit der Umstellung an die Bedingungen nicht so gut. In der zweiten Gruppe hatten wir einen begeisterten Kraftsportler. Ich persönlich mochte seine Muskelberge nicht, die ich für übertrieben hielt. Aber es war sein Hobby und seine Leidenschaft, das respektierte ich. Außerdem fiel es ihm leicht, das schwere Maschinengewehr zu tragen. Es wirkte in seinen kräftigen Händen wie ein Spielzeug, was mich sehr beeindruckte. In Deutschland fand man ihn fast jeden Abend im Kraftraum der Kaserne. Ich fragte mich allerdings, ob man wirklich solch gewaltige Muskeln bekommen konnte, ohne besondere Mittel einzunehmen. Manche Kraftsportler nahmen dafür sogar schlimme Hautprobleme in Kauf. Eines Morgens musste er zurück ins Feldlager gebracht werden. Sein Rücken, an dem er sich in den letzten Tagen auffällig gekratzt hatte, sah furchtbar aus. Der Schweiß und die enge Schutzweste hatten die Pickel auf seinem Rücken nach und nach immer zahlreicher werden lassen und eine schlimme Entzündung der gesamten Haut verursacht. Er musste mit Antibiotika behandelt werden und fiel für einige Tage aus. Es war für das ganze Team äußerst bitter zu wissen, dass von nun an einer von uns nicht mehr dabei war. Obwohl wir wussten, dass er wohl bald zurückkommen würde. Währenddessen warteten wir immer noch auf den ersten richtigen Angriff.
Einen Tag später hatten wir erneut den Auftrag, einen Trupp Kampfmittelbeseitiger zu eskortieren. Diesmal auf die Westplatte. Dort sollten sie von den Amerikanern aus dem Polizeihauptquartier übernommen werden und ein paar Orte untersuchen, an denen Sprengsätze vermutet wurden.
Als wir auf der Zufahrt zur Westplatte waren, konnten wir die Fahrzeuge der Amerikaner schon von weitem erkennen. Sie funkten uns mit ihrem Rufnamen an, um die Funkverbindung zu prüfen.
»Golf one, this is dagger, radio check!«, hörten wir aus dem Lautsprecher.
Und Muli, der nicht wusste, dass »radio« mit Funkgerät übersetzt wurde, ließ entnervt den Hörer fallen und rief hysterisch:
Radio? Was für ’n Radio? Ich hab kein Radio!
Mica, der sich vor Lachen kaum halten konnte, reichte mir das Funkgerät, damit ich den Funkspruch beantworten konnte.
Am Tag, bevor es zurück ins Feldlager gehen sollte, erlebte ich meinen ersten Sandsturm. Es war ein unbeschreiblicher Augenblick, als sich die Sonne verdunkelte und der Himmel komplett gelb färbte. Nicht lange und die Sicht war auf wenige Meter beschränkt. Von Staub und Sand erfüllt, glich die Umgebung einer riesigen Sanduhr. Allerdings tobte der Sturm nicht, wie ich es in Filmen gesehen hatte. Die gewaltigen Sandmassen wälzten sich eher gemächlich durch das Polizeihauptquartier. Nach wenigen Minuten endete der Sandsturm so unvermittelt, wie er begonnen hatte.
Als wir am nächsten Morgen unsere Ausrüstung packten, fuhr unsere Ablösung auf den Hof. Bevor wir wieder ins Feldlager zurückkehren konnten, mussten aber noch der India Zug von den Höhen 431 und 432 ausgelöst und das Polizeihauptquartier übergeben werden. Feldbetten abbauen, die Räume und Flure fegen und die Küchenstelle reinigen, an der wir mit Hilfe von zwei Gasflaschen die Notrationen aufgewärmt hatten.
Für das erste Mal hat die Raumverantwortung ganz gut geklappt, sagte ich zu Mica, als wir mit dem Dingo in Richtung Feldlager rollten. Aber komisch, dass noch nichts passiert ist. Die haben ja erzählt, dass man hier ständig angegriffen wird.
Mica nickte. Kein
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