Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)
Spiel von ihnen.
Kalle überlegte. » Ja, aber dann müsste ich gerade ein gutes Buch lesen, damit ich abgelenkt bin. Bittere Minzbonbons darf man nämlich nicht kauen. Die Füllung ist am besten.«
» Ein Buch«, schnaubte Hilda. » Du bist mir ja ein toller Räuber.«
Ich lächelte Kalle verschwörerisch zu, aber Hele bemerkte es und griff sofort an. » Boss, warum hast du ein zweites solches Kind für uns geraubt? Warum hast du nicht so eine geraubt wie mich?«
» Na, Hele«, sagte Hilda beschwichtigend, » wie wär’s: ein halbes Kilo Toffeelastwagen gegen ein halbes Kilo Salmiakflöhe?«
» Ich tausche nicht«, sagte Hele und blätterte in der Bravo Girl, die sie Vanamo gestohlen hatten. » Diese Lastwagen schmelzen im Sommer zu Klumpen zusammen, weißt du nicht mehr – im vorigen Jahr? Die kriegt man nur mit der Schere auseinander.«
» Hele tauscht ja nie!«, sagte Kalle bitter. » Die glaubt, dass man sie bei jedem Tausch beschummelt.«
» Na …« Gold-Piet machte ein listiges Gesicht. » Tauschst du eventuell ein Kilo Salmiakflöhe gegen zweihundert Gramm Alienkotze?«
Hele setzte sich auf. » Jetzt mach keine Witze!«
» Lass es bleiben, die tauscht nicht«, lachte Kalle.
» Natürlich tausche ich«, sagte Hele. » Jeder vernünftige Räuber würde alles eintauschen, um Alienkotze zu bekommen!«
» Was ist denn das?«, fragte ich Kalle.
» So gemischte Süßigkeiten«, erklärte er. » In kleine Stückchen geschrotete Bonbons, sorgfältig ausgewählt, sodass alle verschieden sind, aber vom Geschmack her zusammenpassen. Die werden, glaube ich, gar nicht mehr hergestellt.«
Das klang köstlich. Ich lächelte versonnen. Dann erinnerte ich mich daran, dass ich eine Gefangene war, und schaute finster drein. Im Laufe der ersten Tage hatte sich meine Stimmung unmerklich geändert. Insgeheim genoss ich jetzt das Umherreisen. » Badeplatz!«, riefen wir, wenn wir eine gute Badestelle sahen. Dann bremste Hilda auf der Schotterstraße, dass die Steinchen nur so spritzten. Wir stellten den Bus an dem betreffenden Teich oder der Bucht auf, und innerhalb von fünf Minuten war das Lager für den Tag aufgeschlagen: Die Liegestühle standen auf der Sonnenseite des Busses, auf dem im Schatten aufgestellten Klapptisch begann das Würfelspiel, der Wilde Karlo riss sich immer mit denselben Worten das Hemd vom Leib: » Jau, und jetzt die Butter in die Pfanne!« Er rieb sich mit Sonnenöl ein, legte sich in den stabilsten Stuhl und begann zu schnarchen.
Die Abfahrt lief genauso sorglos ab. » Abfahrt!«, schrie jemand, und innerhalb von fünf Minuten waren wir alle fertig, der Tisch lag zusammengeklappt im Bus, die Zeitschriften waren unter den Sitz gestapelt, und das aufblasbare Krokodil war platt wie eine Flunder. » Tschüs!«, riefen wir dem Badeplatz zu. Ich war begeistert, mit welchem Tempo wir wieder losfuhren. Wenn die Räder nicht durchdrehten, schrie Hele: » Mehr Gas geben!«
Am liebsten hätte ich auch geschrien, denn danach hatte ich mich schon immer gesehnt: Mehr Gas geben! Aber das zeigte ich den Räuberbergs natürlich nicht. Ich war ja nicht aus eigenem Willen hier. Ich war Raubgut, eine Gefangene, und dementsprechend versuchte ich, ein mürrisches Gesicht zu zeigen. Jedenfalls wenn ich daran dachte.
» Okay, okay«, sagte Hilda, als sie dem Gezänk zwischen Hele und Kalle lang genug zugehört hatte. » Wir müssen einen Raubzug machen, sonst meutert die Besatzung. Karlo?«
Der Wilde Karlo, der während der gesamten Süßigkeitendiskussion räuberhauptmannmäßig donnernd geschnarcht hatte, schreckte aus dem Schlaf hoch.
» Einen Raubzug«, sagte er mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen.
» Ja. Unbedingt. Einen Überfall. Auf ein Auto? Einen Kiosk? Ein Ferienhaus?«
» Ein richtig guter alter Kiosküberfall wäre mal wieder dran, oder?«, sagte Gold-Piet begeistert. » Das Rauben macht doch enorm Laune, das sag ich immer. Nichts für ungut, es war ja schön, aber wir haben seit zwei Tagen nur gebadet und so ’n Zeug. Ein kleiner Raubzug hebt doch immer die Stimmung.«
» Guckst du mal im Atlas nach, Hele?«, bat Hilda. » K wie Kiosk.«
Hele blätterte nach wie vor in einer Zeitschrift. Jetzt kippte sie, ohne den Blick zu heben, auf der Sofabank in Rückenlage, sodass sie eine Hand in das Fach unter dem Sitz stecken konnte. Offenbar wusste sie ohne hinzuschauen, wo was war.
Der Atlas, den Hilda erwähnt hatte, war ein großes Heft mit schwarzem Umschlag, in das Landkartenblätter
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