Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)
mit den Rosen- und Nelkenblüten. Ich hatte das Gefühl, eine ganze Nacht geschlafen zu haben. Und ich war trotz allem zu Hause. Das ganze schöne Abenteuer war nur ein Traum gewesen.
» Vilja, hast du meinen Haarlack geklaut?« Vanamo riss die Tür auf. » Den mit Glitzer drin. Heute ist ’ne Party, und ich brauche ihn SOFORT .«
Sie stürzte sich auf mein Bett, packte mich an den Schultern und schüttelte mich. Jetzt wusste ich wieder, wie es zu Hause war. Nämlich genau so.
» Ich – mag – doch – gar – kei – nen – Haar – lack«, sagte ich mit schlackerndem Kopf. » Hör – auf!«
» Du Dieb! Gib sofort her!«
Da begriff ich, dass die Stimme gar nicht Vanamo gehörte, sondern einem noch wütenderen Wesen: Es war Vanamo mit Heles Stimme.
Ich öffnete die Augen und merkte, dass der Räuberbus stillstand. Wir hatten irgendwo angehalten, aber sie hatten mich nicht geweckt. Die Seitentür stand offen, und ich konnte hören, wie Kalle und Hele sich stritten. Ich erhob mich von der Sitzbank und blinzelte den Schlaf weg. Mir wurde klar, was für ein Glück ich hatte, hier aufzuwachen, bei diesem Streit, vor einem fremden Sommerhaus. An diesem spannenden Tag, der ein Tag meines neuen Lebens war.
» Klau dir ein eigenes Messer«, sagte Hele und entwand Kalle das Messer. » Ein Räuber bestiehlt keinen Räuber!«
» Oh doch, und wie!«, lachte Gold-Piet keckernd und holte sich einen Hammer aus dem Werkzeugbeutel, der in der Lade neben der Tür lag.
» Guten Morgen«, sagte er zu mir. » Du hattest wohl einen Alptraum. Hast ganz schön um dich geschlagen. Da drin gibt’s Kakao, wenn du willst.«
» Du HAST ein eigenes Messer«, sagte Hele, als sie sah, wie verzweifelt Kalle über den verlorenen Kampf war.
» Das ist ein Obstmesser«, sagte Kalle leise. » Mama hat es gesagt, ein Obstmesser. Damit kann man keine Autos überfallen.«
» Komm, wir gucken in der Küche nach, ob’s da eins gibt«, sagte Hele. Kalle freute sich, und beide rannten los, auf die Blockhütte zu.
» Halt, stopp!«, sagte Gold-Piet. » Das hier ist was anderes. Hier wird nichts weggenommen, nicht ein einziges Löffelchen.«
Ich kletterte aus dem Bus, meine Beine waren vom Schlafen noch ein wenig schwach.
» Schnell!«, sagte der Wilde Karlo und ging Piet entgegen. Er trug einen fremden Bademantel. » Das Wasser ist noch so kalt, dass man sich den Hintern abfriert. Es muss beim ersten Versuch klappen, sonst können wir’s vergessen.«
» Ja, das ist aber schwierig, weil’s so schwankt«, sagte Gold-Piet. » Das macht einen fertig.«
Ich fand das alles sehr merkwürdig und machte mich auf die Suche nach Hilda, die es mir vielleicht erklären könnte.
» Die Jungs bringen den Bootssteg in Ordnung«, antwortete Hilda, bevor ich fragen konnte. Sie reichte mir eine Tasse Kakao, der die perfekte Temperatur hatte, dampfend, aber nicht so heiß, dass man sich den Mund verbrennen konnte. » Und dann muss nur noch die Tür vom Plumpsklo heil gemacht werden, und wir können wieder los.« Sie klopfte gedankenverloren mit dem Fingerknöchel auf eine Liste, die auf der Wachstuchtischdecke lag. Die Liste war in der Schönschrift eines alten Menschen geschrieben. Als Hilda meinen Blick bemerkte, nahm sie den Zettel vom Tisch, faltete ihn und steckte ihn in eine Tasche ihrer Shorts.
» Bald können wir wieder losfahren.«
» Ist das hier gar kein Ferienhaus-Überfall?«, fragte ich.
» Oh nein«, lachte Hilda. » Also, die machen wir schon manchmal. Aber das hier ist nur so eine Art Hausmeisterjob.«
» Unter dem Dach war ein Eichhörnchennest«, sagte Hele und kam herein, um Kakao zu trinken. » Wir haben es leer gemacht und die aufgerissene Stelle wieder zugenagelt. Aber da sind Sägemehl und Wolle drin, alles durcheinander. Ich weiß nicht, ob sich das später auf die Wärmedämmung auswirkt.«
» Danke, Schatz«, sagte Hilda und zauste der vorbeigehenden Hele das Haar. Hele duckte sich unter ihrer Hand weg, aber ich sah in ihrem Gesicht, wie glücklich sie war.
» Fertig mit dem Steg!« Der Wilde Karlo kam in seinem Bademantel herein, gefolgt von Gold-Piet. » Aber es ist von Jahr zu Jahr kälter; der Grund des Sees ist ja felsig.«
» Da wird die gute Alte frieren, wenn sie versucht zu baden, ohne in die Sauna zu gehen«, sagte Hele.
» Ich hoffe immer, dass es nicht so kalt wird, dass wir herkommen müssen«, sagte Kalle. » Das hier ist die kälteste von unseren Stellen. Wenn man sich auf dem verschneiten Steg die Zähne
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