Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)
ihr zum Weinen war.
» Das ist einfach nur schrecklich!«, sagte Kalle. » Ich hatte gedacht, es würde großartig sein, aber es ist einfach nur schrecklich.«
» Zu Anfang des Sommers hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich das mal sagen würde, aber ich sage es trotzdem: Es war toll, mit dir zusammen Raubzüge zu machen und so ’n Zeug«, sagte Gold-Piet feierlich. » Wir haben alles im Stil der großen Welt und nach dem Regelbuch gemacht. Diese Busbesatzung hat dir viel zu verdanken.«
» Melde dich mal«, sagte Hele und überreichte mir eine der aufgemotzten Barbiepuppen aus der Serie, die sie kurz vor dem Sommerfest geraubt hatte. » Über Bandit-H kannst du mir auch private Mitteilungen schicken. Der Code ist hier auf ihrem rechten Oberschenkel eintätowiert.« Sie bückte sich, um etwas aus einer Seitentasche des Busses zu holen. » Und nimm die hier mit!«, sagte sie leichthin. » Besser du trainierst ordentlich, damit du dich nächstes Mal nicht rausreden musst!«
Ich brauchte die Papierbögen nicht auseinanderzufalten, um zu wissen, was es war: Heles Zielscheiben fürs Messerwerfen. Zu Hause würde ich das Messer sicher nicht direkt in die Wand werfen dürfen, ich musste mir eine andere Methode ausdenken. Ich steckte die Zielscheiben in meinen Rucksack und versuchte, die richtigen Abschiedsworte zu finden. Alle wirkten bedrückt und traurig.
Kalle hielt sein Mathebuch hoch und nickte zum Abschied. Er war zu traurig, um zu sprechen.
» Einen guten Schulanfang, Kalle!«, sagte ich.
» Will es denn wirklich keiner sagen?«, rief der Wilde Karlo und schniefte. » Ihr Memmen, soll ich euch so schlecht erzogen haben? Na, dann sage ich es eben selbst, ich sage jetzt alles, als Kapitän dieser Bande und als Ältester und als Familienvater: Geh nicht, Vilja! Diese Bande ist mit dir so viel besser. Wer wird Notizen über uns machen und die Lage analysieren und, und, und … Niemand von uns will, dass du gehst, auch wenn wir alle so räubermäßig cool tun!«
» Papa«, sagte Hele. » Nicht.«
Karlo Räuberberg schluchzte auf. Dann schluchzten alle, manche ganz offen, andere, während sie helemäßig aus dem Fenster schauten und tapfer taten.
» Sehr geehrte Räubergemeinschaft der Räuberbergs«, sagte ich schließlich. » Gemäß unserem gemeinsam geschlossenen Abkommen möchte ich mich jetzt versichern, dass ihr am ersten Juni nächsten Jahres wieder auf genau diesen Parkplatz kommt, um mich zu rauben. Also, haben das alle bis in alle Einzelheiten verstanden?«
» Ja«, sagte Hele und sah mich direkt an. Man konnte ihr überhaupt nicht ansehen, wie sehr sie eben noch geweint hatte. » Ja, das haben wir.«
» Ach!«, sagte der Wilde Karlo erfreut. » Ach so?«
Er streckte die Hand aus, um von Hilda ein Küchenhandtuch zu bekommen. Er trocknete sich damit das Gesicht und schnäuzte sich sorgfältig.
Ich mochte nicht genauer hinschauen, was danach mit dem Handtuch gemacht wurde. » Das ist ja ein guter Plan.«
» Brüderchen, wann wirst du endlich lernen, dass nichts, was mit Vilja zu tun hat, ein schlechter Plan sein kann«, sagte Kaija. » Nun geh schon, Mädchen, sonst gehen uns noch die Handtücher aus.«
» Eins noch«, sagte ich und nahm eins der Videobänder von der Hutablage. » Vielleicht fangt ihr am besten mit dem Räuber Hotzenplotz an. Der bringt euch zum Lachen, ganz sicher.«
Ich nahm die Kassette aus der Hülle und gab Hele die Gebrauchsanweisung für den Rekorder. Sie würde wissen, was zu tun war, wenn der Film zu Ende war.
» Na dann: Tschüs euch allen!«, sagte ich. » Ich wünsche euch einen kurzen Winter. Wir sehen uns am ersten Juni nächstes Jahr.«
Dann drückte ich auf PLAY und verließ den Bus.
Epilog,,
Auf dem Weg vom Parkplatz zum Fahrstuhl
D as war der beste Sommer meines Lebens. In diesem Sommer bin ich eine Straßenräuberin geworden.
Ich habe gelernt, wie es ist, an einem Seeufer das Frühstück aus einer heißen Pfanne zu essen. Ich habe gelernt, wie kalt eine draußen verbrachte Nacht sein kann.
Ich bin jetzt ein Mädchen mit einem eigenen Markenzeichen und hab die besten Kniffe gelernt, um aus Kofferräumen zu stibitzen und am helllichten Tag Überfälle zu fahren.
Ich habe gelernt, ein Messer zu werfen, gemein zu sein und durch meine Zahnlücke zu pfeifen. Ich werde nie mehr das Mädchen sein, das die Chorprobe oder die Geigenstunde am nächsten Tag herbeisehnt.
Ich sehne den nächsten Sommer herbei.
Schließlich haben sie mir versprochen, dass
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