Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)
beschäftigt.
Gold-Piet, Kalle und Karlo nickten verschwörerisch.
» Genau«, sagte Hilda. » Natürlich schmeckt es. Selbst geraubt, selbst gekocht, selbst gegessen.«
» Und mit den Fingern«, sagte Hele. » Was dachtest du denn? Etwa, dass wir es uns nicht leisten können, Besteck zu rauben?!«
Alle lachten. Erst war ich etwas verwirrt, dann lachte ich mit.
Kapitel 4
in dem geraubt wird, was das Zeug hält
A n den beiden folgenden Tagen lernte ich alles über die Straßenräuberei. Wie ein gutes Raubobjekt aussieht und wie man » erschnuppern« kann, was es geladen hat. Autos, die auf dem Weg zum Ferienhaus waren, erkannte man daran, wie bepackt sie waren: Im Rückfenster lagen Sonnenhüte, Schlafsäcke und Federballschläger. Diesen Autos aufzulauern und sie einzuholen, lohnte sich, denn sie hatten am meisten Lebensmittel dabei: Fleischpiroggen, Konserven und Knäckebrot für die Küche im Sommerhaus.
Ich lernte, die Frontalannäherung, den Überholspurt und den Hinterhalt voneinander zu unterscheiden. Am liebsten war ihnen der Überholspurt. Dabei schätzten sie mit dem Fernglas die Beraubungseigenschaften des vor ihnen fahrenden Autos ein, und wenn sie wussten oder erschnuppert hatten, dass die Beute gut war, begannen sie, sich an die hintere Stoßstange des Autos anzupirschen.
» Das ist der Kreislauf der Natur«, erklärte der Wilde Karlo. » Die Löwen jagen die Antilopen, und die Räuberbusse die Raubobjekte.«
» Und dabei darf man aus dem Bus das Letzte rausholen«, fügte Hilda hinzu und streichelte das Armaturenbrett.
Man hielt Stoßstangenfühlung, bis die Straßenverhältnisse günstig waren. Dann zog man am Objekt vorbei, gab auf der Geraden plötzlich ordentlich Gas und warf schließlich den Bus herum, sodass er quer auf der Straße stand. Auch das war eine Kunst: Man musste gerade so viel Abstand lassen, dass das Objekt bremsen konnte, aber nicht mehr. Zwischen der Straßensperre und dem Objekt durfte auch keine Seitenstraße abzweigen – ein typischer Anfängerfehler –, sonst konnte ein mutiger Fahrer noch entkommen, wenn er die Räuberflagge aus der Dachluke aufsteigen und im Wind knattern sah.
» Das Wichtigste für einen Straßenräuber ist«, begann der Wilde Karlo mit andächtig geschlossenen Augen. Dann öffnete er das eine Auge ein wenig: » Und, wo hast du Papier und Stift? Ich erkläre es doch gerade.«
DIE WICHTIGSTEN EIGENSCHAFTEN EINES GUTEN STRASSENRÄUBERS
Aufgeschrieben von Vilja
1) Guter Riecher
Nicht immer sind die Dinge so, wie sie aussehen. Ohne Riecher ist ein Räuber aufgeschmissen. Mit dem Riecher wählt man seine Objekte, mit dem Riecher erschnuppert man auch versteckte Leckerbissen und in Ortschaften lauernde Polizisten.
» Ohne meinen Riecher wären wir ab-so- LUT nicht hier«, sagte der Wilde Karlo und zeigte auf seine Nase. » Selbst erstklassige Teams sind geschnappt worden, nur weil der gute alte Riecher nicht in Ordnung war.«
» Um dem Riecher auf die Sprünge zu helfen, haben wir einen Autoatlas«, fügte Hilda hinzu. » Darin sind Sachen verzeichnet, die wir vielleicht später einmal brauchen. Ich trage bei fast jedem Lagerplatz etwas ein.«
» Machen wir weiter«, knurrte der Wilde Karlo, den es offensichtlich störte, dass Hilda sich mitten im Diktat einmischte. Aber andererseits fuhr sie gerade erhobenen Hauptes mit Neunzig eine auf Sechzig beschränkte Straße entlang, sodass es nicht ratsam war, heftig zu widersprechen.
2) Aussehen
Die Glaubwürdigkeit eines Räubers hängt stark von seinem Aussehen ab. Ein Staatspräsident muss wie ein Staatspräsident aussehen, ein Räuber wie ein Räuber. Beim Auszuraubenden darf keinerlei Zweifel aufkommen, ob es sich um eine Maskerade oder einen echten Überfall handelt. Angst macht ihn zusammenarbeitswillig, was den Verlauf des Überfalls beschleunigt. Dadurch sinkt die Gefahr, geschnappt zu werden.
» Gute Zähne sind extrem wichtig«, sagte der Wilde Karlo. Hele und Kalle prusteten los.
» Zähne?«
» Schaut euch Gold-Piet an, dann wisst ihr, was ich meine.«
» Ein eindrucksvoller Kühlergrill«, sagte Gold-Piet und bleckte die Zähne. » Damit ist gut lächeln, was?«
3) Ehre
Ehre zu erlangen und zu behalten, ist das Allerwichtigste für einen Straßenräuber. Wer eine Räuberehre hat, wird verehrt und gefürchtet, und das ist Voraussetzung für die Arbeit eines Räubers. Ehre erlangt man durch häufige und wagemutige Überfälle und indem man bei Verfolgungsjagden, falls solche
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