Villa des Schweigens
mir.
Irgendeine Bemerkung, die heute gefallen war, geisterte mir im Kopf herum, ohne dass ich sie fassen konnte. Was hatte ich nur gehört, das mich stutzig gemacht hatte?
Ich fischte den Teebeutel aus der Tasse. Dann fiel es mir ein und ich hielt inne. Der Teebeutel hing am Löffel und tropfte.
Er hat heute mal einen guten Tag , hatte Claire über Julius gesagt. Ich runzelte die Stirn. Und plötzlich wusste ich, was daran so befremdlich war. Denn wenn es auffiel, dass jemand mal einen guten Tag hatte – bedeutete das nicht, dass er normalerweise schlechte Tage hatte?
Der Gedanke gefiel mir nicht und ich versuchte, ihn zu verscheuchen. Aber wie eine lästige Fliege kam er immer wieder zurück.
3. Kapitel
Ich schob das Rad in der Hitze zurück zur Villa, diesmal mit meinem riesigen Rucksack auf dem Rücken. Die Henkel des verdammten Topfes drückten gegen meine Schulterblätter und der Schweiß floss in Strömen an mir herunter. Am Lenker hing ein Korb von Franziska, darin saß Billy. Ich verfluchte meine Entscheidung, alles auf einmal in mein neues Zimmer schleppen zu wollen. Der Einfachheit halber hätte ich auch erst meine Sachen und später mein Fahrrad holen können. Aber etwas trieb mich an, selbst meine Füße schienen eine Art Eigenleben entwickelt zu haben. Ich rannte regelrecht. Hatte ich Angst, das Zimmer könnte plötzlich wieder teurer sein? Das war doch völliger Blödsinn, ich hatte gerade alles bezahlt.
Und dennoch – ich traute dem Frieden nicht. Oder Julius?
Der Junge, der sich als Stefan vorgestellt hatte, öffnete mir die Tür, noch bevor ich meinen Schlüssel herausgekramt hatte. Von irgendwo aus der Villa musste man einen guten Blick auf die Straße haben.
»Hi«, sagte ich völlig erschöpft und lehnte mich auf mein Fahrrad. Meine Beine zitterten vor Anstrengung.
»Bist du gerannt?«
»Nein, ich bin nur so schwer beladen.«
Er musterte mich leicht verblüfft, während ich meine schwitzige Hand an meinen Shorts abwischte. Ich kam mir auf einmal vor wie ein Hausierer.
»Bist du zu Hause rausgeflogen?« Stefan half mir, das Ungetüm von Rucksack auf den Boden zu wuchten. »Was schleppst du denn da alles mit dir rum?« Interessiert betrachtete er das Bein einer Strumpfhose, das aus einer Seitentasche heraushing wie eine abgeworfene Schlangenhaut.
»Nichts weiter. Danke.«
»Nichts weiter ist aber ganz schön schwer!« Er stopfte die Strumpfhose zurück in die Tasche. »Ich wette, das sind alles Klamotten. Genau wie bei Lauren. Mädchen sind doch alle gleich, was?«, wandte er sich an Claire, die hinzugekommen war. Die rollte mit den Augen.
»Guck mal hier, der Salamander«, sagte Stefan zu ihr. Er streckte die Hand nach Billy aus und nahm ihn aus dem Kasten.
»Vorsichtig«, sagte ich schnell.
Aber Claire wollte ihn gar nicht sehen. Sie verzog leicht den Mund. »Ich bin in meinem Zimmer, wenn du was brauchst.«
»Hat der auch einen Namen?« Stefan hielt Billyjetzt hoch und betrachtete seinen Bauch, als ob er da irgendein Markenzeichen erwartete.
»Billy«, sagte ich und setzte meinen Gecko wieder in sein Terrarium.
»Billy«, wiederholte Stefan belustigt. »Du bist echt witzig.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Warum denn nicht?«
»Na ja. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der einen Lurch Billy genannt hat. Klingt wie ein Cowboy – Billy the Kid.« Stefan grinste. »Mein Hamster hieß früher nur Purzel.«
Jetzt musste ich lachen. »Na, ob das unbedingt besser war?«
»Nee. Sag das bloß keinem weiter.« Er lachte noch im Weggehen.
Ich schleifte den Rucksack durch die Eingangshalle bis zu meinem Zimmer, riss die Tür auf und zerrte ihn hinein. Dann holte ich Billys Glaskasten, stellte ihn auf den Schreibtisch und setzte mich erst mal auf den Boden.
Das Zimmer war immer noch herrlich und es war meins. Mein erstes Reich ganz alleine, ohne nervenden kleinen Bruder und ohne Eltern, die zwar ganz erträglich waren, aber eben auch nicht immer alles mitkriegen mussten.
Ich war frei. Ich konnte den ganzen Sonntag lang im Bett bleiben, wenn ich wollte. Ich konnte die ganze Nacht wegbleiben, mich nur von Käsecrackernernähren oder all meinen Krempel auf dem Boden verstreuen und niemals wieder aufräumen.
Am liebsten hätte ich laut gejubelt, stattdessen aber trat ich hinaus auf die Terrasse und atmete tief durch.
»Na, du?«, begrüßte ich den kleinen Teufel über meiner Tür. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, ihn putzig zu finden, doch er sah mich so starr an, dass
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