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Villa Oma

Villa Oma

Titel: Villa Oma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Kleberger
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oder schwamm in dem schönen Bad des großen Schiffes. Fast an jedem Abend waren Bordfeste, wo man trank, tanzte und sich kostümierte. Als das Ende der Reise herankam, waren alle traurig, daß sie sich trennen mußten. Nun war es Zeit für meinen Freund, an seinen Auftrag zu denken.
    Er fuhr in die Stadt Montevideo und ging zu der in seinem Notizbüchlein aufgeschriebenen Adresse. Das angegebene Haus war eine schöne, weiße Villa. Der Hausherr hieß Señor Esteban und empfing meinen Freund mit großer Herzlichkeit. Er konnte es kaum erwarten, bis er den Zettel mit der Botschaft in der Hand hatte. Er las, und sein Gesicht strahlte auf.
    ,Das der schönste Tag meines Lebens sein’, sagte er mit feuchten Augen in gebrochenem Deutsch. ,Und Sie sein Glücksbote, der mir gebracht hat so gute Nachricht.’
    Dann bewirtete er meinen Freund auf das köstlichste. Sie saßen im Garten unter Palmen, und ein Diener mit einem goldenen Ring an einem Ohr servierte ihnen . Meinem Freund gegenüber saß Señor Estebans Töchterlein Dolores, die wunderschön, aber sehr schüchtern war und nur ab und zu zwei riesige, schwarze Augen zu meinem Freund aufschlug. Am nächsten Morgen wollte sich mein Freund verabschieden, aber Señor Esteban legte ihm eine Hand auf die Schulter und sagte:
    ,Amigo, ich ‘ aben große Bitte. Bevor Sie zu Ihrem Schiff zurückgehen, Sie könnten mir tun eine große Gefallen. Würden Sie bringen die gute Botschaft an einen anderen Herren? Adresse steht auf dem Zettel.’
    Mein Freund war gern dazu bereit, erklärte aber, daß er nicht spanisch lesen könnte, und so sagte ihm Señor Esteban die Adresse. Mein Freund versuchte, sie sich zu merken und steckte den Zettel wieder ein. Er ging los und machte ein paar Umwege, um die Stadt ein wenig zu besichtigen. Er sah viele fremde und interessante Dinge, und plötzlich merkte er, daß er die Adresse vergessen hatte. Er sah auf dem Zettel nach, den Señor Esteban ihm wieder zurückgegeben hatte. Aber er konnte die fremde Sprache nicht entziffern. Ein junger Mann kam ihm gerade auf der Straße entgegen. Er hatte einen breitkrempigen Hut auf und sah lustig und verwegen aus. Mein Freund zeigte ihm den Zettel und bat ihn, ihm die Adresse zu sagen. Der junge Mann nickte freundlich und begann zu lesen. Doch je mehr er las, desto ernster wurde sein Gesicht. Schließlich wurde er so weiß wie die Wand, vor der sie standen. Er drückte meinem Freund hastig den Zettel in die Hand und lief so schnell er konnte um die nächste Ecke. Mein Freund sah ihm verwundert nach. Was hatte der junge Mann, war ihm schlecht geworden?
    Da kam eben eine Schulklasse die Straße entlang, geführt von einer Nonne. Die kleinen Mädchen trugen schwarze Schulkittelchen und hatten fast alle lange schwarze Zöpfe. Sie schwatzten munter miteinander. Mein Freund trat auf die Nonne zu und zeigte ihr den Zettel. Sie holte ihre Brille aus der Tasche und begann zu lesen. Aber sie hatte noch gar nicht zu Ende gelesen, da warf sie ihm den Zettel vor die Füße, rief ihrer Klasse mit schriller Stimme etwas zu, und alle ergriffen in rasender Eile die Flucht, so daß die Zöpfe der kleinen Mädchen nur so hin und her baumelten.

    Nun war mein Freund wirklich verwirrt und erschrocken. Er hob den Zettel auf und betrachtete ihn, aber da er die Sprache nicht verstand, konnte er nichts damit anfangen.
    Jetzt wollte er aber unbedingt wissen, was es mit dem Zettel für eine Bewandtnis hatte. Er ging, bis er an eine der Hauptverkehrsstraßen kam. An einer Ecke sah er zwei Polizisten stehen. Er trat auf sie zu und zeigte ihnen den Zettel. Die beiden Polizisten wurden plötzlich sehr aufgeregt. Sie redeten mit lauten Stimmen aufeinander ein, und der eine lief plötzlich eiligst davon. Der andere packte meinen Freund am Arm. Als dieser sich losmachen wollte, zog der Polizist eine Handschelle aus der Tasche und fesselte das Handgelenk von meinem Freund an sein eigenes. Gleich darauf kam mit Sirenengetön ein Polizeiwagen angesaust, und die Polizisten schoben meinen Freund hinein. Sie fuhren vor ein großes Haus, und dort sperrten sie ihn in eine vergitterte Zelle. In den nächsten Tagen kam niemand zu meinem Freund, so sehr er auch mit den Fäusten an die Tür trommelte, nur der Wärter, der ihm Kohlsuppe, Brot und Wasser brachte, der aber auf seine Fragen nicht antwortete. Eines Tages kam ein Mann mit einer Aktentasche unter dem Arm herein und fragte:
    ,Was wünschen Sie?’
    ‚Warum sitze ich hier?’ rief mein Freund,

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