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Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Titel: Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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Reise in Richtung Süden fortgesetzt; schließlich wollte es den Äquator erreichen, selbst wenn aus Vilm Village zu diesem Thema eine interessante Auswahl saftiger Schimpfwörter zu hören war. Insbesondere der arme Francesco Calandra bekam sein Fett weg, als mit drohendem Unterton gefragt wurde, ob die Kinder mit seinem Gefährt etwa so weit fahren könnten. Er erklärte stolz, dass sie es sogar bis zum Südpol locker schaffen würden, das würde sein Geländekugler mit Leichtigkeit hinbekommen.
    Jetzt war freilich Schluss, das spürten alle vier, als ihre sechzehn Augen das erblickt hatten: Es musste das größte Gestrolch des Planeten sein. Das war das Bild, das sie Bit für Bit und Pixel für Pixel nach Vilm Village übermittelt hatten: eine gigantische, hunderte Meter hohe Wand aus ineinander verfilzten und miteinander verflochtenen Pflanzen, in der vilmsche Lebewesen in bestürzender Mannigfaltigkeit durcheinanderwimmelten. Mannsstarke Äste wanden sich um hausdicke Stämme, hunderte Meter lange Lianen verknüpften das vor Vitalität schier berstende Pflanzengewirr. Diese Wand zog sich rechts und links so weit hin, wie das Auge reichte. Früchte, die allen Vilmern von ihrem täglichen Speisezettel her wohlbekannt waren, erreichten hier erstaunliche Ausmaße; manche waren derart aufgeschwollen, dass man mit ihnen ganz Vilm Village hätte beköstigen können. Am Fuß der einschüchternden Wand drückte die schiere Masse der aufgetürmten Gewächse eine schwärzlich-schleimige Masse hervor, die ein eigenes schattiges Biotop von undeutlich umherschleichenden Wesen nährte. Nach oben hin faserte der monströse Busch in einer Vielzahl von Auswüchsen und tentakelartigen Zweigen aus, um die herum Lebewesen schwirrten, die vom Geländekugler aus nicht exakt zu erkennen waren. Das waren die ersten fliegenden Exemplare vilmscher Fauna, die von Menschen erblickt wurden. Bisher hatte man gedacht, der ständig herabrieselnde Regen hätte der Evolution hier eine Grenze gesetzt. Man hatte sich geirrt ... In den ersten Augenblicken, als die jungen Vilmer diesen enormen Wall gesehen hatten, war es gewesen, als kehre die Kindheit zurück. Sdevan erinnerte sich daran, dass die Trümmer des Weltenkreuzers früher für ihn ein furchterregender und atemberaubender Anblick gewesen waren. All dieses Metall, all diese Technik, zerknittert und durcheinandergewürfelt wie von der Hand einer unbarmherzigen Gottheit. Später war der majestätische Eindruck der Überreste der Ehrfurcht vor den Regendrachen gewichen. Die waren weniger greifbar und mächtiger als das Gebirge. Alles hatte sich verändert, als Sdevan lernte, die Welt durch mehr Augen zu sehen als nur die in seinem eigenen Schädel. Doch dieser Anblick übertraf sogar die Erinnerung an das ehrfürchtige Starren auf die hochragenden Überreste der OOSTERBRIJK. Und das hier lebte.
    Das Standbild aus Vilm Village war noch nicht erschienen, da ertönte bereits die besorgte Stimme der Einarmigen Eliza, knarzig und flach wie alle Töne, die mit den begrenzten Fähigkeiten dieser Datenleitung übertragen wurden. Das aktuelle Bild aus dem Inneren des Geländekuglers war offenbar bereits angekommen. »Wie seht ihr denn aus, um Gottes willen?«
    »Eure Reinigung wird als unvollkommen empfunden«, übersetzte Tonja und bekam dafür prompt eine Rüge von Marjas zweitem Ich, übermittelt durch einen Tritt mit der Hinterpfote, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ.
    »Wir sehen aus«, sagte Sdevan würdevoll, »wie ein paar echte Vilmer, die den Kontakt mit ihrer Heimat gesucht haben.«
    »Gefunden auch«, ergänzte Jonathan, »und wie.«
    »Irgendwann werde ich noch einmal wahnsinnig euretwegen«, sagte die Einarmige Eliza, und weil das Anderthalb-Sekunden-Standbild aus Vilm Village just in diesem sehr unvorteilhaften Augenblick auf dem Bildschirm auftauchte, wurde das kantige Gesicht der gestrengen Lehrerin für einige Momente in einer Standaufnahme sichtbar, auf der sie die Augen verdrehte. Natürlich drückte Sdevan, der sich und die anderen drei tatsächlich nicht ganz sauber bekommen hatte, auf die Speichertaste. Dieses Bild war von jetzt an Teil einer Sammlung, die niemals unter die Augen der Einarmigen Eliza kommen durfte.
    »Was sagen die weisen Schreilen zu diesem Ungetüm da?«, fragte Marja. Aus dem Lautsprecher erklang ein undefinierbares Geräusch, und kurze Zeit später, als sich das nächste Standbild aus Vilm Village aufgebaut hatte, hatte sich Tina zur

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