Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)
und färbte ihn zusehends dunkler, und der Sandfleck dampfte ein wenig, als wäre er heiß gewesen, ausgedörrt von einer Sonne, die es hier nicht gab. Ach, so ist das, dachte Juanita, ohne zu wissen, was sie damit meinte.
»Bis nächste Woche dann, wie immer«, sagte Mechin, der, ohne zu bemerken, dass sie nicht zuhörte, von den Neuigkeiten der anderen beiden Siedlungen erzählt hatte. Sie nickte.
»Juanita, he!«, schrie es aus dem Pflanzengewirr, und die Kindermeute brach aus dem Dickicht, Tonja natürlich vorneweg. Neugierig wurden die beiden Erwachsenen umringt und mit Fragen über Fragen versorgt. Tonja zog Juanita beiseite, nachdem die anderen den Arzt mit Beschlag belegt hatten. »Sag mal, warst du das?«
»Was denn, Tonja?«
Die Kleine tat ärgerlich. »Irgendjemand hat uns die Eingesichter abspenstig gemacht und allein mit ihnen gespielt. Plötzlich waren sie alle weg, stell dir das vor. Und wir haben gesucht.«
»So eine Gemeinheit«, sagte Juanita lächelnd.
Tonja sah sie schief an und konnte das nicht lustig finden. »Ja, und hier sind lauter Spuren von zahlreichen Eingesichtern, siehst du, das ist seltsam.«
»Ich hab keine gesehen, Tonja, ich hab auf Mechin gewartet, ein bisschen geträumt, aber Eingesichter waren keine da.« Tonja sah Juanita scharf ins Gesicht, knurrte etwas und verschwand mit der lärmenden Schar, sie folgten Mechin ein Stück Wegs in Richtung der Hauptsiedlung.
Juanita ging langsam zurück und ließ die Plastikplane und ihre ehemals so verhassten Sachen liegen, damit sie die Stelle später wiederfinden könnte. Sie fand den Ort nie wieder, jedenfalls war sie sich nie sicher. Im Vorübergehen pflückte sie eine gräulich-gelbe Frucht, die sie aus Huberts Obstschale kannte, und biss beiläufig hinein. Sie schmeckte wie eine leicht gezuckerte Kumquat. Als der Regen stärker wurde, blieb Juanita stehen und ließ ihn sich ins Gesicht prasseln.
15. Regendrachennester
Ihr seid verrückt, Kinder, hatte Mechin gesagt, verrückt wie eine Herde Affen, und die besagten Kinder waren mit baumelnden Armen herumgesprungen und hatten merkwürdige Geräusche gemacht, wie sie es in einer der Filmaufzeichnungen gesehen hatten, die von der Einarmigen Eliza in ihrer Schule verwahrt wurden. Die Eingesichter hatten ihre Pendants dabei umkreist wie eilige Monde, und Mechin hatte den Kopf geschüttelt und erklärt, er habe es aufgegeben, diesen merkwürdigen Vilmkindern Vernunft beizubringen, erst recht, seitdem die sechsbeinigen Bettvorleger beschlossen hätten, den verwilderten Menschenwesen nicht von der Seite zu weichen. Sie wussten alle, dass Mechin es nicht so meinte, und protestierten pro forma mit gespieltem Wutgeheul und ins Leere schnappenden Gebissen. Und nun waren sie auf ihrem Weg so weit gekommen und wünschten sich, sie wären genau die Herde Affen, von welcher der alte Arzt gesprochen hatte. Mit dem Fahrzeug, das ihnen Francesco Calandra gebaut hatte, einer Art Geländewagen auf riesigen Ballonreifen, kamen sie jedenfalls nicht weiter, das stand fest. Auch wenn das Kraftfahrzeug wegen seiner kugeligen Gestalt und seiner weichen geblähten Räder Geländekugler hieß: Es war keine Seifenblase, die der Wind hinüberbringen könnte.
Nun stiegen die vier aus dem Gefährt und staunten die Barriere an, die ihnen das weitere Fortkommen nach Süden versperrte. Die beiden Mädchen, Marja und Tonja, waren ganz still und setzten sich in den Schlamm, an ihre Eingesichter gekuschelt, und starrten das unglaubliche Hindernis an. Sdevan und Jonathan stellten weiter oben am Hang zwei von den Augäpfeln auf, damit die Einarmige Eliza daheim etwas sehen konnte. Damit das recht viel und ungefähr so beeindruckend wie die Wirklichkeit war, bauten sie die Geräte einige hundert Meter voneinander entfernt in ungefähr gleicher Höhe auf. Das Eingesicht Sdevans blieb bei Jonathan und umgekehrt; auf diese Weise wusste jeder genau, was der andere machte, und im selben Augenblick traten die Jungs beiseite. Die Augäpfel machten klick. Tonja unten beim Wagen stand auf und kletterte hinein, um die Datenleitung zu überprüfen. Dann winkte sie: alles in Ordnung. Die Augäpfel blieben, wo sie waren, während Jonathan zum Geländekugler hinunterstieg, verfolgt von beiden Eingesichtern. Unten blickte sich Jonathan nach seinem Begleiter um; da war nur Sdevans Eingesicht, und dessen Gesichtsausdruck ließ das Schlimmste befürchten. Das war dieser Ich-bin-Sdevan-hoppala-Blick, diese halb hängenden Ohren, dieser
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